Werke
recht widrig in mein Inneres hinein, aber eben als all die schlangenzüngigen Septimen herabschweben wollten in eine ganze lichte Welt freundlicher Terzen, da waren Ew. Hoch- und Wohlgeboren fort – fort – und die Schlangenzungen stachen und stachelten mich sehr! Ew. Hoch- und Wohlgeboren, den ich jetzt mit all jenen freundlichen Terzen ansingen will, sind doch kein anderer, als der Baron Wallborn, den ich längst so in meinem Innern getragen, daß es mir, wenn alle meine Melodien sich wie er gestalteten und nun keck und gewaltig hervorströmten, oft schien, ich sei ja eben er selbst. – Als heute im Theater eine kräftige jugendliche Gestalt in Uniform, das klirrende Schwert an der Seite, recht mannlich und ritterhaft auf mich zutrat, da ging es so fremd und doch so bekannt durch mein Inneres, und ich wußte selbst nicht, welcher sonderbare Akkordwechsel sich zu regen und immer höher und höher anzuschwellen anfing. Doch der junge Ritter gesellte sich immer mehr und mehr zu mir, und in seinem Auge ging mir eine herrliche Welt, ein ganzes Eldorado süßer wonnevoller Träume auf – der wilde Akkordwechsel zerfloß in zarte Engelsharmonien, die gar wunderbarlich von dem Sein und Leben des Dichters sprachen, und nun wurde mir, da ich, wie Ew. Hoch- und Wohlgeboren versichert sein können, ein tüchtiger Praktikus in der Musik bin, die Tonart, aus der das Ganze ging, gleich klar. Ich meine nämlich, daß ich in dem jungen Ritter gleich Ew. Hoch- und Wohlgeboren, den Baron Wallborn erkannte. – Als ich einige Ausweichungen versuchte, und als meine innere Musik lustig und sich recht kindisch und kindlich freuend in allerlei munteren Melodien, ergötzlichen Murkis und Walzern hervorströmte, da fielen Ew. Hoch- und Wohlgeboren überall in Takt und Tonart so richtig ein, daß ich gar keinen Zweifel hege, wie Sie mich auch als den Kapellmeister Johannes Kreisler erkannt und sich nicht an den Spuk gekehrt haben werden, den heute abend der Geist Droll nebst einigen seiner Konsorten mit mir trieb. – In solch eigner Lage, wenn ich nämlich in den Kreis irgend eines Spuks geraten, pflege ich, wie ich wohl weiß, einige besondere Gesichter zu schneiden, auch hatte ich gerade ein Kleid an, das ich einst im höchsten Unmut über ein mißlungenes Trio gekauft, und dessen Farbe in Cis-moll geht, weshalb ich zu einiger Beruhigung der Beschauer einen Kragen aus E-dur-Farbe darauf setzen lassen, Ew. Hoch- und Wohlgeboren wird das doch wohl nicht irritiert haben. – Zudem hatte man mich auch ja heute abend anders vorgezeichnet; ich hieß nämlich Doktor Schulz aus Rathenow, weil ich nur unter dieser Vorzeichnung, dicht am Flügel stehend, den Gesang zweier Schwestern anhören durfte – zwei im Wettgesang kämpfende Nachtigallen, aus deren tiefster Brust hell und glänzend die herrlichsten Töne auffunkelten. – Sie scheuten des Kreislers tollen Spleen, aber der Doktor Schulz war in dem musikalischen Eden, das ihm die Schwestern erschlossen, mild und weich und voll Entzücken, und die Schwestern waren versöhnt mit dem Kreisler, als in ihn sich der Doktor Schulz plötzlich umgestaltete. – Ach, Baron Wallborn, auch Ihnen bin ich wohl, vom Heiligsten sprechend, was in mir glüht, zu hart, zu zornig erschienen! Ach, Baron Wallborn – auch nach meiner Krone griffen feindselige Hände, auch mir zerrann in Nebel die himmlische Gestalt, die in mein tiefstes Innerstes gedrungen, die geheimsten Herzensfasern des Lebens erfassend. – Namenloser Schmerz zerschnitt meine Brust, und jeder wehmutsvolle Seufzer der ewigen dürstenden Sehnsucht wurde zum tobenden Schmerz des Zorns, den die entsetzliche Qual entflammt hatte. – Aber, Baron Wallborn, glaubst Du nicht auch selbst, daß die von dämonischen Krallen zerrissene blutende Brust auch jedes Tröpfchen lindernden Balsams stärker und wohltätiger fühlt? – Du weißt, Baron Wallborn, daß ich mehrenteils über das Musiktreiben des Pöbels zornig und toll wurde, aber ich kann es Dir sagen, daß, wenn ich oft von heillosen Bravour-Arien, Konzerten und Sonaten ordentlich zerschlagen und zerwalkt worden, oft eine kleine unbedeutende Melodie, von mittelmäßiger Stimme gesungen oder unsicher und stümperhaft gespielt, aber treulich und gut gemeint und recht aus dem Innern heraus empfunden, mich tröstete und heilte. Begegnest Du daher, Baron Wallborn, solchen Tönen und Melodien auf Deinem Wege, oder siehst Du sie, wenn Du zu Deiner Wolke aufschwebst, unter Dir, wie sie in frommer
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