Werke
durch den Geistlichen den Freunden ein herzliches Lebewohl sagen lassen, da er sich außerstande fühle, sie mündlich zu sprechen.
Als indessen die Freunde im Begriff waren in den Wagen zu steigen, trat der alte Graf aus der Türe. Stolz trug er sein Haupt erhoben, veredelt schienen die Züge seines Antlitzes, fester war sein Schritt. Überwunden hatte er den jähen Schmerz, und nun konnte das Leid neu seinen heldenmütigen Geist nur beleben mit neuer Kraft.
Er umarmte die Freunde herzlich und sprach dann mit der ernsten Würde des in sich abgeschlossenen Mannes: »Ihre Erscheinung war der letzte Lichtpunkt in meinem Leben, Amaliens Flucht der erste Schlag des Wetters, das nun über mein Haus einbricht und es vernichtet. Im Alter, wenn das Feuer der Phantasie erloschen, gelten Ahnungen mehr als in der Jugend. – Haben Sie Dank für die heitern Augenblicke, die ihr frischer lebensmutiger Geist mir gewährte. Beten Sie, daß der Herr bald vollende, was er über mich beschlossen.«
Der Graf drückte schnell eine Träne aus dem Auge, als er von den Freunden schied, und auch diese verließen das Schloß in der tiefsten Rührung.
Mitten im nahen Walde trafen sie auf einen Trupp gräflicher Jäger, die auf einer von Baumzweigen geflochtenen Bahre den Grafen Franz nach dem Schlosse brachten. Ein Schuß, der ganz unerwartet aus dem dichten Gebüsche fiel, hatte ihn in die Brust getroffen; er schien rettungslos verloren. – »O fort – fort von diesem Schauplatz des Jammers!«
So riefen die Freunde, und rasch ging es weiter.
Zwei Briefe
Mehrere Jahre waren verflossen. Hartmann, in seiner diplomatischen Laufbahn vorgerückt, ging in Aufträgen seiner Obern nach Rom und dann nach Neapel. Von hier aus erhielt Willibald, der in Berlin zurückgeblieben, einen Brief folgenden Inhalts:
Hartmann an Willibald
Neapel, den .........
Ich schreibe Dir, mein teuerster Willibald, in der vollsten Bewegung meiner ganzen Seele! – An einen Moment in unserm Leben bin ich erinnert worden, der Dich so erfaßte, daß Du lange nicht das seltsame Gefühl von Lust und Schmerz, von Liebe und Verachtung verwinden konntest. – Doch ohne weitere Vorrede zur Sache.
Gestern besuchte ich den reizendsten romantischsten Punkt dieser Gegend, nämlich das Kamaldulenser-Kloster in der Nähe des Posilippo.
Der Prior war artig genug, mich an einen Mönch zu weisen, der ein Deutscher war, und den er vom Gelübde des Schweigens dispensierte.
Je länger der Mönch mit mir sprach, desto bekannter wurde mir der Ton seiner Stimme, und auch in den Zügen seines würdigen Antlitzes lag etwas Bekanntes, schon Gesehenes, das nur der lange weiße Bart zweifelhaft zu machen schien. Der Mönch betrachtete mich mit einer forschenden Aufmerksamkeit, die offenbar zeigte, daß auch ich ihm bekannt vorkam.
Endlich erwähnte ich, als der Mönch mich fragte, ob ich zum ersten Male in Italien sei, unserer Reise von Berlin über Prag und Wien nach Mailand. – »So,« rief der Mönch, »so täuscht mich doch wohl nicht die Erinnerung, die mir gleich zu Sinn kommen wollte, als ich Sie nur erblickte. – Wir sahen uns schon in Böhmen auf dem Schlosse des Grafen Maximilian von C.« –
Der Mönch war kein anderer als jener würdige Geistliche, der Schloßkapellan des Grafen von C., und Du kannst denken, wie mir mit einem Zauberschlage das helle lebendige Bild jener verhängnisvollen Momente auf dem Schlosse vor Augen trat. Eifrig bat ich den Mönch mir zu sagen, wie sich fernerhin alles begeben, und meinte, daß, führe mich meine Rückreise durch Böhmen, ich gewiß die Gastfreundschaft des alten Grafen, sei er noch am Leben, zum zweitenmal in Anspruch nehmen werde. – »Ach,« sprach der Mönch, indem er den tränenschweren Blick zum Himmel richtete, »ach! – alles ist dahin! – verschwunden alle Pracht und Herrlichkeit! – Das Geflügel der Nacht nistet in den Ruinen, wo sonst Freiheit thronte und Gastfreundschaft in schimmernden Prunkgemächern!« –
Geahnt haben wir wohl beide den Untergang der vor verhängnisvollen Geheimnissen bedrohten Familie; höre indessen, wie nach der Erzählung des Mönchs sich alles begeben.
Graf Maximilian behielt die Fassung des männlich starken Geistes, als ihm der auf den Tod verwundete Sohn gebracht wurde, und diesen Mut lohnte der Ausspruch des Wundarztes, der, nachdem er mit dem Geschick des vollendeten Meisters die Kugel herausgebracht, erklärte, daß die Verwundung allerdings sehr gefahrvoll, Rettung indessen nicht
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