Werke
nur möglich, sondern, käme nicht irgendein anderes Übel hinzu, mit vieler Wahrscheinlichkeit vorauszusehen sei. Daß die Büchsenkugel nicht die Brust des Grafen durchbohrt, das sonst bei der Richtung des Schusses ein Wunder zu nennen, ließ den Wundarzt vermuten, daß der Mörder in gar beträchtlicher Ferne geschossen. Daraus ließ sich denn auch erklären, daß der Mörder Zeit genug gehabt hatte, zu entfliehen, da die Jäger, so sorgsam sie auch den ganzen Wald durchstreiften, doch nicht eine einzige verdächtige Person antrafen. Überhaupt schien jenes Raubgesindel, das die ganze Gegend ringsumher unsicher machte, nach der Niederlage, die es zuletzt erlitten, sich wieder über die Grenze zurückgezogen zu haben, denn man hörte durchaus nichts mehr von den kühnen Raubstreichen, die sonst beinahe jeden Tages vorgefallen.
Der Wundarzt hatte die Verwundung des Grafen ganz richtig beurteilt. Sehr bald war er außer aller Gefahr, und die sanfte Trauer, die tiefe Schwermut, die sein Gemüt erfüllte, hatte seinen in Feuer und Flamme aufsprühenden Geist gebrochen und war eben deshalb seiner völligen Genesung zuträglich. Beide, der alte Graf und Graf Franz, hatten Amalia, die wie durch Zauberei spurlos verschwunden, ganz aufgegeben. Sie durften nicht einmal irgendeine Vermutung wagen, wohin, mit welches Hilfleistung sie entflohen. Alles nur irgend Denkbare wurde bei näherer Beleuchtung zum leeren Hirngespinst, und so war es auch unmöglich, irgendeine Maßregel zu ersinnen, die dahin hätte führen können, die Spur der Entflohenen zu finden und zu verfolgen. – Die Stille des Grabes herrschte nun in dem Schlosse, und nur vorübergehende helle Augenblicke, die der Geistliche manchmal herbeizuführen wußte, unterbrachen die tiefe Trauer, in die beide, Vater und Sohn, versunken. Nur der Trost, den die Kirche zu spenden vermag, stärkte den alten Grafen, als der entsetzliche Schlag ihn traf, den abzuwenden Graf Franz sich vergebens bemüht hatte. Graf Maximilian erfuhr durch Zufall, daß sein Sohn Karl wirklich vor mehrerer Zeit als Haupt einer Räuberbande im Elsaß eingefangen und zur Hinrichtung verurteilt, aber von seinen Spießgesellen, die das Gefängnis, worin er eingeschlossen, erbrachen, indessen mit Gewalt befreit worden war. – Sein Name wurde an den Galgen geschlagen. Er hatte seinen Familiennamen richtig angegeben, man ließ jedoch den Grafentitel hinweg. –
Schlaflos lag Graf Maximilian in einer Nacht, gequält von dem Gedanken, in welche Schmach der heillose Sohn die würdigste Familie, die ihre Abstammung von Königen herleitete, versenkt, und wie Amaliens verbrecherischer Wahnsinn auch den letzten Funken jeder Hoffnung irgendeines irdischen Wohls verlöscht. Da vernahm er leise Tritte vor den Fenstern des Schlosses, und dann war es, als würde die Haupttüre behutsam geöffnet. Dann wurde alles still, bald ließ sich aber, wie aus der untersten Tiefe herauf, ein seltsames klirrendes Getön hören, als würden Eisen gehandhabt. – Der Graf zog an der Glocke, die hineinging in Daniels, von des Grafen Schlafgemach nicht weit entfernte Kammer. Doch der Graf mochte klingeln, soviel er wollte, kein Daniel erschien. Da stand der Graf auf, warf sich in die Kleider, zündete am Nachtlicht eine Kerze an und stieg herab, um selbst die Ursache des Geräusches zu erforschen. In Daniels Kammer schaute er vorbeigehend hinein und überzeugte sich, daß Daniel, da das Bett unberührt, sich noch gar nicht niedergelegt hatte. Als der Graf in den geräumigen Säulenflur trat, gewahrte er, wie ein Mensch schnell zum Portal herauswischte. – Rechts und links war eine Reihe Zimmer gelegen, in die man aus dem Säulenflur hineintrat. Die Reihe an der rechten Seite endigte mit einem kleinen gewölbten Kabinett, dessen Türe von starkem Eisen war, so wie vor dem einzigen Fenster sich ein starkes Gitterwerk befand. Mitten in dem steinernen Boden dieses Kabinetts war eine eiserne Falltüre mit starken eisernen Querbänden angebracht. Sie führte hinab in ein sehr tiefes Gewölbe, wo der bedeutende in gemünztem Golde, in prächtigen goldnen und silbernen Gerätschaften, in Juwelen und andern Kleinodien bestehende Familienschatz aufbewahrt wurde. Die Türe des ersten Zimmers an dieser rechten Seite stand offen, der Graf trat schnell hinein, durchschritt die ganze Reihe, und ihm stockte der Atem, als er die Türe des letzten Kabinetts ohne Gewalt geöffnet fand. Behutsam trat der Graf hinein. »Wartet nur noch etwas. Es
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