Werke
so offenherzig zu äußern, ja ich hatte niemals, unerachtet ich in der Handelsstadt oft an bedeutenden Banken als Zuschauer stand, genug über das Spiel nachgedacht, um meine Überzeugung im Innern so zu ordnen, wie sie mir jetzt unwillkürlich von den Lippen floß. Es tat mir leid, die Gnade des Fürsten verscherzt und das Recht verloren zu haben, im Zirkel des Hofes erscheinen und der Fürstin näher treten zu dürfen. Ich hatte mich indessen geirrt, denn noch denselben Abend erhielt ich eine Einladungskarte zum Hofkonzert, und der Fürst sagte im Vorbeistreifen mit freundlichem Humor zu mir: »Guten Abend, Herr Leonard, gebe der Himmel, daß meine Kapelle heute Ehre einlegt und meine Musik Ihnen besser gefällt als mein Park.« –
Die Musik war in der Tat recht artig, es ging alles präzis, indessen schien mir die Wahl der Stücke nicht glücklich, indem eins die Wirkung des andern vernichtete, und vorzüglich erregte mir eine lange Szene, die mir wie nach einer aufgegebenen Formel komponiert zu sein schien, herzliche Langeweile. Ich hütete mich wohl, meine wahre innere Meinung zu äußern, und hatte um so klüger daran getan, als man mir in der Folge sagte, daß eben jene lange Szene eine Komposition des Fürsten gewesen.
Ohne Bedenken fand ich mich in dem nächsten Zirkel des Hofes ein und wollte selbst am Pharospiel teilnehmen, um den Fürsten ganz mit mir auszusöhnen, aber nicht wenig erstaunte ich, als ich keine Bank erblickte, vielmehr sich einige gewöhnliche Spieltische formten und unter den übrigen Herren und Damen, die sich im Zirkel um den Fürsten setzten, eine lebhafte geistreiche Unterhaltung begann. Dieser oder jener wußte manches Ergötzliche zu erzählen, ja Anekdoten mit scharfer Spitze wurden nicht verschmäht; meine Rednergabe kam mir zustatten, und es waren Andeutungen aus meinem eignen Leben, die ich unter der Hülle romantischer Dichtung auf anziehende Weise vorzutragen wußte. So erwarb ich mir die Aufmerksamkeit und den Beifall des Zirkels; der Fürst liebte aber mehr das Heitre, Humoristische, und darin übertraf niemand den Leibarzt, der in tausend possierlichen Einfällen und Wendungen unerschöpflich war.
Diese Art der Unterhaltung erweiterte sich dahin, daß oft dieser oder jener etwas aufgeschrieben hatte, das er in der Gesellschaft vorlas, und so kam es denn, daß das Ganze bald das Ansehen eines wohlorganisierten literarisch-ästhetischen Vereins erhielt, in dem der Fürst präsidierte und in welchem jeder das Fach ergriff, welches ihm am mehrsten zusagte. – Einmal hatte ein Gelehrter, der ein trefflicher tiefdenkender Physiker war, uns mit neuen interessanten Entdeckungen im Gebiet seiner Wissenschaft überrascht, und so sehr dies den Teil der Gesellschaft ansprach, der wissenschaftlich genug war, den Vortrag des Professors zu fassen, so sehr langweilte sich der Teil, dem das alles fremd und unbekannt blieb. Selbst der Fürst schien sich nicht sonderlich in die Ideen des Professors zu finden und auf den Schluß mit herzlicher Sehnsucht zu warten. Endlich hatte der Professor geendet, der Leibarzt war vorzüglich erfreut und brach aus in Lob und Bewunderung, indem er hinzufügte, daß dem tiefen Wissenschaftlichen wohl zur Erheiterung des Gemüts etwas folgen könne, das nun eben auf nichts weiter Anspruch mache als auf Erreichung dieses Zwecks. – Die Schwächlichen, die die Macht der ihnen fremden Wissenschaft gebeugt hatte, richteten sich auf, und selbst des Fürsten Gesicht überflog ein Lächeln, welches bewies, wie sehr ihm die Rückkehr ins Alltagsleben wohltat.
»Sie wissen, gnädigster Herr,« hob der Leibarzt an, indem er sich zum Fürsten wandte, »daß ich auf meinen Reisen nicht unterließ, all die lustigen Vorfälle, wie sie das Leben durchkreuzen, vorzüglich aber die possierlichen Originale, die mir aufstießen, treu in meinem Reisejournal zu bewahren, und eben aus diesem Journal bin ich im Begriff etwas mitzuteilen, das, ohne sonderlich bedeutend zu sein, doch mir ergötzlich scheint. – Auf meiner vorjährigen Reise kam ich in später Nacht in das schöne große Dorf vier Stunden von B.; ich entschloß mich, in den stattlichen Gasthof einzukehren, wo mich ein freundlicher aufgeweckter Wirt empfing. Ermüdet, ja zerschlagen von der weiten Reise, warf ich mich in meinem Zimmer gleich ins Bette, um recht auszuschlafen, aber es mochte eben eins geschlagen haben, als mich eine Flöte, die dicht neben mir geblasen wurde, weckte. In meinem Leben hatt’ ich
Weitere Kostenlose Bücher