Werke
solch ein Blasen nicht gehört. Der Mensch mußte ungeheure Lungen haben, denn mit einem schneidenden, durchdringenden Ton, der den Charakter des Instruments ganz vernichtete, blies er immer dieselbe Passage hintereinander fort, so daß man sich nichts Abscheulicheres, Unsinnigeres denken konnte. Ich schimpfte und fluchte auf den verdammten tollen Musikanten, der mir den Schlaf raubte und die Ohren zerriß, aber wie ein aufgezogenes Uhrwerk rollte die Passage fort, bis ich endlich einen dumpfen Schlag vernahm, als würde etwas gegen die Wand geschleudert, worauf es still blieb und ich ruhig fortschlafen konnte.
Am Morgen hörte ich ein starkes Gezänk unten im Hause. Ich unterschied die Stimme des Wirts und eines Mannes, der unaufhörlich schrie: ›Verdammt sei Ihr Haus, wäre ich nie über die Schwelle getreten. – Der Teufel hat mich in Ihr Haus geführt, wo man nichts trinken, nichts genießen kann! – alles ist infam schlecht und hundemäßig teuer. – Da haben Sie Ihr Geld, Adieu, Sie sehn mich nicht wieder in Ihrer vermaladeiten Kneipe.‹ – Damit sprang ein kleiner, winddürrer Mann in einem kaffeebraunen Rocke und fuchsroter runder Perücke, auf die er einen grauen Hut ganz schief und martialisch gestülpt, schnell zum Hause heraus und lief nach dem Stalle, aus dem ich ihn bald auf einem ziemlich steifen Gaule in schwerfälligem Galopp zum Hofe hinausreiten sah.
Natürlicherweise hielt ich ihn für einen Fremden, der sich mit dem Wirte entzweit habe und nun abgereiset sei; eben deshalb nahm es mich nicht wenig wunder, als ich mittags, da ich mich in der Wirtsstube befand, dieselbe komische kaffeebraune Figur mit der fuchsroten Perücke, welche des Morgens hinausritt, eintreten und ohne Umstände an dem gedeckten Tisch Platz nehmen sah. Es war das häßlichste und dabei possierlichste Gesicht, das mir jemals aufstieß. In dem ganzen Wesen des Mannes lag so etwas drollig Ernstes, daß man, ihn betrachtend, sich kaum des Lachens enthalten konnte. Wir aßen miteinander, und ein wortkarges Gespräch schlich zwischen mir und dem Wirt hin, ohne daß der Fremde, der gewaltig aß, daran Anteil nehmen wollte. Offenbar war es, wie ich nachher einsah, Bosheit des Wirts, daß er das Gespräch geschickt auf nationelle Eigentümlichkeiten lenkte und mich geradezu frug, ob ich wohl schon Irländer kennen gelernt und von ihren sogenannten Bulls etwas wisse. ›Allerdings!‹ erwiderte ich, indem mir gleich eine ganze Reihe solcher Bulls durch den Kopf ging. Ich erzählte von jenem Irländer, der, als man ihn frug, warum er den Strumpf verkehrt angezogen, ganz treuherzig antwortete: ›Auf der rechten Seite ist ein Loch!‹ – Es kam mir ferner der herrliche Bull jenes Irländers in den Sinn, der mit einem jähzornigen Schotten zusammen in einem Bette schlief und den bloßen Fuß unter der Decke hervorgestreckt hatte. Nun bemerkte dies ein Engländer, der im Zimmer befindlich, und schnallte flugs dem Irländer den Sporn an den Fuß, den er von seinem Stiefel heruntergenommen. Der Irländer zog schlafend den Fuß wieder unter die Decke und ritzte mit dem Sporn den Schotten, der darüber aufwachte und dem Irländer eine tüchtige Ohrfeige gab. Darauf entspann sich unter ihnen folgendes sinnreiche Gespräch: ›Was Teufel ficht dich an, warum schlägst du mich?‹ – ›Weil du mich mit deinem Sporn geritzt hast!‹ – ›Wie ist das möglich, da ich mit bloßen Füßen bei dir im Bette liege?‹ – ›Und doch ist es so, sieh nur her.‹ – ›Gott verdamm mich, du hast recht, hat der verfluchte Kerl von Hausknecht mir den Stiefel ausgezogen und den Sporn sitzen lassen.‹ – Der Wirt brach in ein unmäßiges Gelächter aus, aber der Fremde, der eben mit dem Essen fertig worden und ein großes Glas Bier heruntergestürzt hatte, sah mich ernst an und sprach: ›Sie haben ganz recht, die Irländer machen oft dergleichen Bulls, aber es liegt keinesweges an dem Volke, das regsam und geistreich ist, vielmehr weht dort eine solche verfluchte Luft, die einen mit dergleichen Tollheiten wie mit einem Schnupfen befällt, denn, mein Herr, ich selbst bin zwar ein Engländer, aber in Irland geboren und erzogen und nur deshalb jener verdammten Krankheit der Bulls unterworfen.‹ – Der Wirt lachte noch stärker, und ich mußte unwillkürlich einstimmen, denn sehr ergötzlich war es doch, daß der Irländer, nur von Bulls sprechend, gleich selbst einen ganz vortrefflichen zum besten gab. Der Fremde, weit entfernt, durch unser
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