Werke
Hauses: Medardus, Bruder des Kapuzinerklosters zu B.« – Eiskalt bebte es mir durch die Glieder. Aber mochte der Unbekannte, der mich in das Krankenhaus gebracht hatte, sein, wer er wollte, mochte er eingeweiht sein in mein entsetzliches Geheimnis; er konnte nicht Böses wollen, denn er hatte ja freundlich für mich gesorgt, und ich war ja frei. –
Ich lag im offnen Fenster und atmete in vollen Zügen die herrliche, warme Luft ein, die, durch Mark und Adern strömend, neues Leben in mir entzündete, als ich eine kleine, dürre Figur, ein spitzes Hütchen auf dem Kopfe, und in einen ärmlichen erblichenen Überrock gekleidet, den Hauptgang nach dem Hause herauf mehr hüpfen und trippeln als gehen sah. Als er mich erblickte, schwenkte er den Hut in der Luft und warf mir Kußhändchen zu. Das Männlein hatte etwas Bekanntes, doch konnte ich die Gesichtszüge nicht deutlich erkennen, und er verschwand unter den Bäumen, ehe ich mit mir einig worden, wer es wohl sein möge. Doch nicht lange dauerte es, so klopfte es an meine Türe, ich öffnete, und dieselbe Figur, die ich im Garten gesehen, trat herein. »Schönfeld,« rief ich voll Verwunderung, »Schönfeld, wie kommen Sie her, um des Himmels willen?« – Es war jener närrische Friseur aus der Handelsstadt, der mich damals rettete aus großer Gefahr. »Ach – ach, ach!« seufzte er, indem sich sein Gesicht auf komische Weise weinerlich verzog, »wie soll ich denn herkommen, ehrwürdiger Herr, wie soll ich denn herkommen anders, als geworfen – geschleudert von dem bösen Verhängnis, das alle Genies verfolgt! Eines Mordes wegen mußte ich fliehen...« »Eines Mordes wegen?« unterbrach ich ihn heftig. – »Ja, eines Mordes wegen,« fuhr er fort, »ich hatte im Zorn den linken Backenbart des jüngsten Kommerzienrates in der Stadt getötet und dem rechten gefährliche Wunden beigebracht.« – »Ich bitte Sie,« unterbrach ich ihn aufs neue, »lassen Sie die Possen, sein Sie einmal vernünftig und erzählen Sie im Zusammenhange oder verlassen Sie mich.« – »Ei, lieber Bruder Medardus,« fing er plötzlich sehr ernst an; »du willst mich fortschicken, nun du genesen, und mußtest mich doch in deiner Nähe leiden, als du krank dalagst und ich dein Stubenkamerad war und in jenem Bette schlief.« – »Was heißt das,« rief ich bestürzt aus, »wie kommen Sie auf den Namen Medardus?« – »Schauen Sie«, sprach er lächelnd, »den rechten Zipfel Ihrer Kutte gefälligst an.« Ich tat es und erstarrte vor Schreck und Erstaunen, denn ich fand, daß der Name Medardus hineingenäht war, sowie mich bei genauerer Untersuchung untrügliche Kennzeichen wahrnehmen ließen, daß ich ganz unbezweifelt dieselbe Kutte trug, die ich auf der Flucht aus dem Schlosse des Barons von F. in einem hohlen Baum verborgen hatte. Schönfeld bemerkte meine innere Bewegung, er lächelte ganz seltsam; den Zeigefinger an die Nase gelegt, sich auf den Fußspitzen erhebend, schaute er mir ins Auge; ich blieb sprachlos, da fing er leise und bedächtig an: »Ew. Ehrwürden wundern sich merklich über das schöne Kleid, das Ihnen angelegt worden, es scheint Ihnen überall wunderbar anzustehn und zu passen, besser als jenes nußbraune Kleid mit schnöden besponnenen Knöpfen, das mein ernsthafter vernünftiger Damon Ihnen anlegte... Ich... ich... der verkannte, verbannte Pietro Belcampo war es, der Eure Blöße deckte mit diesem Kleide. Bruder Medardus! Ihr wart nicht im sonderlichsten Zustande, denn als Überrock – Spenzer – englischen Frack trugt Ihr simplerweise Eure eigne Haut, und an schickliche Frisur war nicht zu denken, da Ihr, eingreifend in meine Kunst, Euern Karakalla mit dem zehnzahnichten Kamm, der Euch an die Fauste gewachsen, selbst besorgtet« – »Laßt die Narrheiten,« fuhr ich auf, »laßt die Narrheiten, Schönfeld«... »Pietro Belcampo heiße ich,« unterbrach er mich in vollem Zorne, »ja Pietro Belcampo, hier in Italien, und du magst es nur wissen, Medardus, ich selbst, ich selbst bin die Narrheit, die ist überall hinter dir her, um deiner Vernunft beizustehen, und du magst es nun einsehen oder nicht, in der Narrheit findest du nur dein Heil, denn deine Vernunft ist ein höchst miserables Ding und kann sich nicht aufrecht erhalten, sie taumelt hin und her wie ein gebrechliches Kind und muß mit der Narrheit in Kompanie treten, die hilft ihr auf und weiß den richtigen Weg zu finden nach der Heimat – das ist das Tollhaus, da sind wir beide richtig angelangt, mein
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