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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E.T.A. Hoffmann
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denen eine mit holder Engelsstimme sprach: »In dem fernen Preußen ist der Jungfrau Maria, da, wo die Engel des Herrn ihr Bildnis auf einen Lindenbaum niedersetzten, eine Kirche erbaut worden, die noch des Schmuckes der Malerei entbehrt. Ziehe hin, die Ausübung deiner Kunst sei dir heilige Andacht, und deine zerrissene Seele wird gelabt werden mit himmlischem Trost.« – Als Francesko aufblickte zu den Frauen, gewahrte er, wie sie in sanftleuchtenden Strahlen zerflossen und ein Lilien- und Rosenduft die Kirche durchströmte. Nun wußte Francesko, wer die Frauen waren, und wollte den andern Morgen seine Pilgerfahrt beginnen. Aber noch am Abende desselben Tages fand ihn nach vielem Mühen ein Diener Zenobios auf, der ihm ein zweijähriges Gehalt auszahlte und ihn einlud an den Hof seines Herrn. Doch nur eine geringe Summe behielt Francesko, das übrige teilte er aus an die Armen und machte sich auf nach dem fernen Preußen. Der Weg führte ihn über Rom, und er kam in das nicht ferne davon gelegene Kapuzinerkloster, für welches er die heilige Rosalia gemalt hatte. Er sah auch das Bild in den Altar eingefugt, doch bemerkte er bei näherer Betrachtung, daß es nur ein Kopie seines Gemäldes war. Das Original hatten, wie er erfuhr, die Mönche nicht behalten mögen, wegen der sonderbaren Gerüchte, die man von dem entflohenen Maler verbreitete, aus dessen Nachlaß sie das Bild bekommen, sondern dasselbe nach genommener Kopie an das Kapuzinerkloster in B. verkauft. Nach beschwerlicher Pilgerfahrt langte Francesko in dem Kloster der heiligen Linde in Ostpreußen an und erfüllte den Befehl, den ihm die heilige Jungfrau selbst gegeben. Er malte die Kirche so wunderbarlich aus, daß er wohl einsah, wie der Geist der Gnade in ihm zu wirken beginne. Trost des Himmels floß in seine Seele.
    Es begab sich, daß der Graf Filippo S. auf der Jagd in einer abgelegenen wilden Gegend von einem bösen Unwetter überfallen wurde. Der Sturm heulte durch die Klüfte, der Regen goß in Strömen herab, als solle in einer neuen Sündflut Mensch und Tier untergehen; da fand Graf Filippo eine Höhle, in die er sich samt seinem Pferde, das er mühsam hineinzog, rettete. Schwarzes Gewölk hatte sich über den ganzen Horizont gelegt, daher war es, zumal in der Höhle, so finster, daß Graf Filippo nichts unterscheiden und nicht entdecken konnte, was dicht neben ihm so raschle und rausche. Er war voll Bangigkeit, daß wohl ein wildes Tier in der Höhle verborgen sein könne, und zog sein Schwert, um jeden Angriff abzuwehren. Als aber das Unwetter vorüber und die Sonnenstrahlen in die Höhle fielen, gewahrte er zu seinem Erstaunen, daß neben ihm auf einem Blätterlager ein nacktes Knäblein lag und ihn mit hellen funkelnden Augen anschaute. Neben ihm stand ein Becher von Elfenbein, in dem der Graf Filippo noch einige Tropfen duftenden Weines fand, die das Knäblein begierig einsog. Der Graf ließ sein Horn ertönen, nach und nach sammelten sich seine Leute, die hierhin, dorthin geflüchtet waren, und man wartete auf des Grafen Befehl, ob sich nicht derjenige, der das Kind in die Höhle gelegt, einfinden würde, es abzuholen. Als nun aber die Nacht einzubrechen begann, da sprach der Graf Filippo: »Ich kann das Knäblein nicht hilflos liegen lassen, sondern will es mit mir nehmen, und daß ich dies getan, überall bekannt machen lassen, damit es die Eltern oder sonst einer, der es in die Höhle legte, von mir abfordern kann.« Es geschah so; aber Wochen, Monate und Jahre vergingen, ohne daß sich jemand gemeldet hätte. Der Graf hatte dem Fündling in heiliger Taufe den Namen Francesko geben lassen. Der Knabe wuchs heran und wurde an Gestalt und Geist ein wunderbarer Jüngling, den der Graf seiner seltenen Gaben wegen wie seinen Sohn liebte und ihm, da er kinderlos war, sein ganzes Vermögen zuzuwenden gedachte. Schon fünfundzwanzig Jahre war Francesko alt worden, als der Graf Filippo in törichter Liebe zu einem armen bildschönen Fräulein entbrannte und sie heiratete, unerachtet sie blutjung, er aber schon sehr hoch in Jahren war. Francesko wurde alsbald von sündhafter Begier nach dem Besitze der Gräfin erfaßt, und unerachtet sie gar fromm und tugendhaft war und nicht die geschworene Treue verletzen wollte, gelang es ihm doch endlich nach hartem Kampfe, sie durch teuflische Künste zu verstricken, so daß sie sich der freveligen Lust überließ, und er seinen Wohltäter mit schwarzem Undank und Verrat lohnte. Die beiden Kinder, Graf

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