Werke
Schuppen von den Augen, und ich erkannte bald die Versuchung der finstern Macht, die mich aufs neue zu verstricken getrachtet hatte, aber auch zugleich meine sündige Schwachheit und die Strafe des Himmels. – Nur schnelle Flucht konnte mich retten, und ich beschloß mit dem frühesten Morgen mich auf den Weg zu machen. Schon war beinahe die Nacht eingebrochen, als die Hausglocke des Klosters stark angezogen wurde. Bald darauf trat der Bruder Pförtner in meine Zelle und berichtete, daß ein seltsam gekleideter Mann durchaus begehre mich zu sprechen. Ich ging nach dem Sprachzimmer, es war Belcampo, der nach seiner tollen Weise auf mich zusprang, bei beiden Armen mich packte und mich schnell in einen Winkel zog. »Medardus,« fing er leise und eilig an, »Medardus, du magst es nun anstellen, wie du willst, um dich zu verderben, die Narrheit ist hinter dir her auf den Flügeln des Westwindes – Südwindes oder auch Süd-Südwest – oder sonst und packt dich, ragt auch nur noch ein Zipfel deiner Kutte hervor aus dem Abgrunde, und zieht dich herauf – O Medardus, erkenne das – erkenne, was Freundschaft ist, erkenne, was Liebe vermag, glaube an David und Jonathan, liebster Kapuziner!« – »Ich habe Sie als Goliath bewundert,« fiel ich dem Schwätzer in die Rede, »aber sagen Sie mir schnell, worauf es ankommt – was Sie zu mir hertreibt?« – »Was mich hertreibt?« sprach Belcampo, »was mich hertreibt? – Wahnsinnige Liebe zu einem Kapuziner, dem ich einst den Kopf zurechtsetzte, der umherwarf mit blutiggoldenen Dukaten – der Umgang hatte mit scheußlichen Revenants – der, nachdem er was weniges gemordet hatte – die Schönste der Welt heiraten wollte, bürgerlicher-oder vielmehr adligerweise.« – »Halt ein,« rief ich, »halt ein, du grauenhafter Narr! Gebüßt habe ich schwer, was du mir vorwirfst im freveligen Mutwillen.« – »O Herr,« fuhr Belcampo fort, »noch ist die Stelle so empfindlich, wo Euch die feindliche Macht tiefe Wunden schlug? – Ei, so ist Eure Heilung noch nicht vollbracht. – Nun ich will sanft und ruhig sein wie ein frommes Kind, ich will mich bezähmen, ich will nicht mehr springen, weder körperlich noch geistig, und Euch, geliebter Kapuziner, bloß sagen, daß ich Euch hauptsächlich Eurer sublimen Tollheit halber so zärtlich liebe, und da es überhaupt nützlich ist, daß jedes tolle Prinzip so lange lebe und gedeihe auf Erden, als nur immer möglich, so rette ich dich aus jeder Todesgefahr, in die du mutwilligerweise dich begibst. In meinem Puppenkasten habe ich ein Gespräch belauscht, das dich betrifft. Der Papst will dich zum Prior des hiesigen Kapuzinerklosters und zu seinem Beichtiger erheben. Fliehe schnell, schnell fort von Rom, denn Dolche lauern auf dich. Ich kenne den Bravo, der dich ins Himmelreich spedieren soll. Du bist dem Dominikaner, der jetzt des Papstes Beichtiger ist, und seinem Anhange im Wege. – Morgen darfst du nicht mehr hier sein.« – Diese neue Begebenheit konnte ich gar gut mit den Äußerungen des unbekannten Abbates zusammenräumen; so betroffen war ich, daß ich kaum bemerkte, wie der possierliche Belcampo mich ein Mal über das andere an das Herz drückte und endlich mit seinen gewöhnlichen seltsamen Grimassen und Sprüngen Abschied nahm. –
Mitternacht mochte vorüber sein, als ich die äußere Pforte des Klosters öffnen und einen Wagen dumpf über das Pflaster des Hofes hereinrollen hörte. Bald darauf kam es den Gang herauf; man klopfte an meine Zelle, ich öffnete und erblickte den Pater Guardian, dem ein tief vermummter Mann mit einer Fackel folgte. »Bruder Medardus,« sprach der Guardian, »ein Sterbender verlangt in der Todesnot Euern geistlichen Zuspruch und die letzte Ölung. Tut, was Eures Amtes ist, und folgt diesem Mann, der Euch dort hinführen wird, wo man Eurer bedarf.« – Mich überlief ein kalter Schauer, die Ahnung, daß man mich zum Tode führen wolle, regte sich in mir auf; doch durfte ich mich nicht weigern und folgte daher dem Vermummten, der den Schlag des Wagens öffnete und mich nötigte einzusteigen. Im Wagen fand ich zwei Männer, die mich in ihre Mitte nahmen. Ich frug, wo man mich hinführen wolle, – wer gerade von mir Zuspruch und letzte Ölung verlange. – Keine Antwort! In tiefem Schweigen ging es fort durch mehrere Straßen. Ich glaubte an dem Klange wahrzunehmen, daß wir schon außerhalb Rom waren, doch bald vernahm ich deutlich, daß wir durch ein Tor und dann wieder durch gepflasterte
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