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Seelengrab (German Edition)

Seelengrab (German Edition)

Titel: Seelengrab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Buranaseda
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01
    Der Schnee schien immer dichter zu fallen, als Lutz Hirschfeld auf der anderen Straßenseite gegenüber der Rheinischen Landesklinik wartete und seine zweite Zigarette rauchte. Der Kriminalhauptkommissar hatte den Kragen seines schwarzen Ulster-Mantels hochgeschlagen und beobachtete den Eingang zur Bonner Psychiatrie. Der schwere, innen mit Baumwollflanell gefütterte Tweedstoff schützte ihn vor dem eisigen Wind, der über den Kaiser-Karl-Ring pfiff. Seine schwarzen Chucks -Stoffturnschuhe, die durch den Schneematsch bereits nach wenigen Schritten klamm gewesen waren, untergruben allerdings Hirschfelds Plan, den Besuch bei seinem Vater durch eine weitere Zigarette hinauszuzögern. Er nahm einen letzten Zug, schnippte die Kippe weg, die leise zischend in einer Schneewehe versank, und setzte sich in Bewegung.
    Als Hirschfeld den Ring überquerte, hielt in einiger Entfernung eine Straßenbahn und entließ eine Gruppe Frauen mittleren Alters in schwarz-gelb geringelten Bienenkostümen, unter denen sich ihre dicken Winterjacken deutlich abzeichneten. Sie hakten sich fröhlich unter und liefen schwankend auf den Kriminalhauptkommissar zu. Aus ihren gelben Lockenperücken ragten Fühler, die bei jeder Bewegung hin und her tanzten. Ihrem Gang und den rot glühenden Wangen nach zu urteilen, hatten die Damen an diesem Morgen bereits ein paar Schnäpse intus. Als die Bienen ein Lied anstimmten und ihm zuwinkten, beschleunigte Lutz Hirschfeld seinen Schritt. Textfetzen, etwas über kölsche Mädchen und etwas Unaussprechliches, das wie „Spetzebötzjer“ klang, wehten zu ihm herüber, als er das Gelände der Rheinischen Landesklinik betrat.
    Der Kriminalhauptkommissar widerstand dem Impuls, sich noch einmal umzusehen, und folgte dem gepflasterten breiten Einfahrtsweg, den mehrere Gebäude säumten. Zu seiner Linken führte ein spiralförmiger Anbau aus Beton zu einem Parkdeck. Rechter Hand erstreckte sich nach wenigen Metern ein lang gezogenes rotes Backsteinhaus älteren Baujahrs. Aus der schneebedeckten Grünfläche davor ragte ein Dutzend hochgewachsener Bäume, deren kahle Äste sich im Wind wiegten.
    Plötzlich flatterte irgendwo ein Vogel auf. Reflexartig wandte Lutz Hirschfeld den Kopf und entdeckte zu seiner Überraschung einen grünen Papagei, der sich gerade wieder auf einem anderen Zweig niederließ. Hirschfeld ließ seinen Blick schweifen und bemerkte weitere grüne Tupfer in den Ästen.
    Noch mehr Tiere, dachte er und musste unweigerlich lächeln. Wie viele Patienten oder Besucher hatten sich auf dem Weg in die Klinik schon gefragt, ob die Papageien nicht ihrer Fantasie entsprangen? Zugegeben, der Anblick irritierte ihn. Aber Hirschfeld vertraute seinen Sinnen und zweifelte keine Sekunde daran, dass die Vögel real waren. Mit diesem Gedanken steuerte er auf den Haupteingang der Klinik zu, der von mehreren verwaisten Blumenkübeln flankiert war. Die automatischen Glastüren glitten zur Seite und gaben den Weg ins Foyer frei.
    „Kann ich Ihnen helfen?“, empfing ihn eine rundliche blonde Frau im Glaskasten gegenüber dem Eingang.
    Sie saß vor einem Computer mit einem Flachbildschirm. Daneben stand ein Kofferradio, aus dem ein Karnevalsschlager plärrte.
    „Ja, ich möchte meinen Vater, Heinrich Hirschfeld, besuchen“, entgegnete der Kriminalhauptkommissar.
    „Einen Augenblick“, erwiderte die Frau und ließ ihre grün lackierten Fingernägel über die Tastatur gleiten. „Sie müssen zur Station Süd 1A, Zimmer 5. Gehen Sie einfach geradeaus. Dann nehmen Sie das Treppenhaus in den ersten Stock. Dort halten Sie sich links und folgen der Beschilderung. Wenn Sie den Verbindungsgang zum Südflügel passiert haben, können Sie die Station nicht mehr verfehlen.“
    „Danke“, erwiderte Hirschfeld und verabschiedete sich.
    Auf dem Weg in die Geschlossene versuchte er nicht darüber nachzudenken, welcher Umstand ihn hergeführt hatte. Er war hier, und das musste fürs Erste genügen, bevor er es sich anders überlegte.
    Wenig später stand er vor der Akutstation. Hirschfeld drückte auf die Klingel und wartete. Er war gerade im Begriff, erneut zu klingeln, als er hörte, wie jemand von der anderen Seite einen Schlüssel ins Schloss steckte. Im Rahmen der schweren Holztür tauchte Sekunden später ein blasses Gesicht auf, das einem schmalen jungen Mann gehörte. Er trug keinen Kasack, nur der Schlüsselbund in seiner Hand identifizierte ihn als Pfleger.
    „Guten Morgen“, sagte er in einem Tonfall, der weder

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