Werke
Kapellmeister.
Ich . So nimmst du also das Anerbieten, bei mir zu bleiben, nicht an?
Berganza . Schon deshalb nicht, weil ich mit dir gesprochen. Es ist überhaupt nicht ratsam, jemanden alle Talente, die man besitzt, zu enthüllen, weil dieser dann das wohlerworbene Recht zu haben glaubt, sie in Anspruch zu nehmen, wie er nur mag. So könntest du nun oft von mir verlangen, daß ich mit dir sprechen sollte.
Ich . Weiß ich denn aber nicht, daß es nicht von dir abhängt, zu sprechen, wann du willst?
Berganza . Wenn auch! – Du könntest es oft für Eigensinn halten, wenn ich hartnäckig schwiege, unerachtet es mir in dem Augenblick unmöglich sein dürfte, menschlich zu schwatzen. Verlangt man nicht oft von dem Musiker, er solle spielen, – von dem Dichter, er solle Verse machen, sind auch Zeit und Umstände so ungünstig, daß es unmöglich ist, dem Zudringlichen zu genügen? Und doch schilt man dann jede Weigerung Eigensinn. – Kurz! – ich bin dir mit meinen besondern Gaben und Eigenheiten zu bekannt geworden, als daß auf ein näheres Verhältnis zwischen uns zu rechnen wäre. Überdem habe ich mein Unterkommen schon gefunden, laß uns also davon abbrechen.
Ich . Es ist mir unlieb, daß du so wenig Zutrauen zu mir hast.
Berganza . Du bist also auch neben deinem Musiktreiben Schriftsteller – Dichter?
Ich . Ich schmeichle mir bisweilen –
Berganza . Schon genug – ihr taugt alle nicht viel, denn der reine, einfarbige Charakter ist selten.
Ich . Was willst du damit sagen?
Berganza . Nächst denen, die nur im äußern Prunkstaat der Poesie erscheinen, nächst euern geleckten Männlein, euern gebildeten gemüt- und herzlosen Weibern, gibt es noch welche, die von innen und außen gesprenkelt sind und in mehreren Farben schillern, ja bisweilen wie das Chamäleon die Farben wechseln können.
Ich . Noch immer verstehe ich dich nicht –
Berganza . Sie haben Kopf – Gemüt – aber nur dem Geheiligten entfaltet die blaue Blume willig ihren Kelch!
Ich . Was willst du mit der blauen Blume?
Berganza . Eine Erinnerung an einen verstorbenen Dichter, der zu den reinsten gehörte, die jemals gelebt. Wie Johannes sagte, leuchteten in seinem kindlichen Gemüte die reinsten Strahlen der Poesie, und sein frommes Leben war ein Hymnus, den er dem höchsten Wesen und den heiligen Wundern der Natur in herrlichen Tönen sang. Sein Dichtername war: Novalis!
Ich . Viele hielten ihn jederzeit für einen Schwärmer und Phantasten –
Berganza . Weil er in der Poesie sowie im Leben nur das Höchste, das Heiligste wollte und vorzüglich manchen gesprenkelten Kollegen herzlich verachtete; wiewohl eigentlicher Haß seiner Seele fremd war, so hatte er manchen ihn verfolgenden Feind. – Ebenso weiß ich recht gut, daß man ihm Unverständlichkeit und Schwulst vorwarf, unerachtet es zu seinem Verständnis nur darauf ankam, mit ihm in die tiefsten Tiefen hinabzusteigen und wie aus einem in Ewigkeit ergiebigen Schacht die wundervollen Kombinationen, womit die Natur alle Erscheinungen in ein Ganzes verknüpft, heraufzubergen, wozu denn freilich den mehrsten es an innerer Kraft und an Mut mangelte.
Ich . Ich glaube, daß wenigstens in Ansehung des kindlichen Gemüts und des wahren poetischen Sinnes ihm ein Dichter der neuesten Zeit ganz an die Seite zu setzen ist.
Berganza . Meinst du den , der mit seltner Kraft die nordische Riesenharfe ertönen ließ, der mit wahrhafter Weihe und Begeisterung den hohen Helden Sigurd in das Leben rief, daß sein Glanz all die matten Dämmerlichter der Zeit überstrahlte und vor seinem mächtigen Tritt all die Harnische, die man sonst für die Helden selbst gehalten, hohl und körperlos umfielen, – meinst du den, so gebe ich dir recht. – Er herrscht als unumschränkter Herr im Reich des Wunderbaren, dessen seltsame Gestalten und Erscheinungen willig seinem mächtigen Zauberrufe folgen und – doch in diesem Augenblicke fällt mir durch eine besondere Ideenkombination ein Bild oder vielmehr ein Kupferstich ein, der anders, als was er vorstellt, gedeutet, mir das eigentliche innere Wesen solcher Dichter, als von denen wir eben sprechen, auszudrücken scheint. –
Ich . Sprich, lieber Berganza, was ist das für ein Bild?
Berganza . Meine Dame (du weißt, daß ich die Dichterin und mimische Künstlerin meine) hatte ein sehr schönes Zimmer mit guten Abdrücken der sogenannten Shakespeares-Galerie ausgeziert. Das erste Blatt, gleichsam als Prologus, stellte Shakespeares Geburt vor. Mit
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