Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)
geistigen Blicke ... Die dunkelrote, widerliche Flüssigkeit schimmerte in unheilverkündendem Glänze vor Herrn Goljadkins Augen ... Das Fläschchen fiel ihm aus den Händen und zerbrach. Unser Held schrie auf und sprang vor der umherspritzenden Flüssigkeit ein paar Schritte zurück ... er zitterte an allen Gliedern, und der Schweiß brach ihm an den Schläfen und auf der Stirn aus. »Also ist mein Leben in Gefahr!« Unterdessen war im Zimmer eine Bewegung und Verwirrung entstanden; alle umringten Herrn Goljadkin, alle redeten zu ihm, einige faßten ihn sogar an. Aber unser Held stand stumm und regungslos; er sah nichts, hörte nichts, fühlte nichts ... Endlich riß er sich von dem Flecke, wo er stand, los, stürzte aus dem Restaurant hinaus, stieß alle, die sich bemühten, ihn festzuhalten, zurück, warf sich beinah besinnungslos in die erste beste Droschke und fuhr eilig nach Hause.
Im Flur seiner Wohnung traf er den Kanzleidiener Michejew mit einem amtlichen Schreiben in der Hand. »Ich weiß, mein Freund, ich weiß alles,« antwortete unser Held, der völlig erschöpft war, mit matter, trauriger Stimme; »das ist etwas Amtliches...« Das Schreiben enthielt in der Tat die von Andrei Filippowitsch unterzeichnete Anweisung für Herrn Goljadkin, die in seinen Händen befindlichen Akten an Iwan Semjonowitsch abzuliefern. Nachdem er den Brief in Empfang genommen und dem Kanzleidiener ein Zehnkopekenstück gegeben hatte, ging Herr Goljadkin in seine Wohnung hinein und sah, daß Petruschka in seinem Verschlage dabei war, all seine Sachen auf einen Haufen zusammenzulegen, offenbar in der Absicht, Herrn Goljadkin zu verlassen und als Jewstafis Nachfolger in Karolina Iwanownas Dienst zu treten, die ihn seinem Herrn abwendig gemacht hatte.
12. Kapitel
Petruschka trat, sich hin und her wiegend, ins Zimmer; seine Haltung hatte etwas sonderbar Nachlässiges, sein Gesicht zeigte die triumphierende Miene eines Knechtes. Man konnte ihm ansehen, daß er etwas vorhatte und sich in seinem Rechte fühlte; er sah aus wie ein Fremder, d. h. wie der Diener eines andern Herrn, nicht wie Herrn Goljadkins bisheriger Diener.
»Nun, siehst du, mein Lieber,« begann unser Held, immer noch außer Atem, »was ist jetzt die Uhr, mein Lieber?«
Petruschka ging schweigend hinter die Scheidewand, kam zurück und meldete in einem wenig dienermäßig klingenden Tone, es sei bald halb acht.
»Nun schön, mein Lieber, schön! Nun, siehst du, mein Lieber ... Dann möchte ich dir sagen, mein Lieber, daß unser wechselseitiges Verhältnis jetzt zu Ende ist.«
Petruschka schwieg.
»Also da nun jetzt unser wechselseitiges Verhältnis zu Ende ist, so sage mir doch jetzt aufrichtig, sage mir wie ein Freund dem Freunde, wo du gewesen bist, mein Lieber!«
»Wo ich gewesen bin? Bei guten Leuten bin ich gewesen.«
»Ich weiß, mein Freund, ich weiß. Ich bin mit dir stets zufrieden gewesen, mein Lieber, und werde dir auch ein gutes Zeugnis ausstellen ... Nun, bist du denn jetzt bei denen im Dienst?«
»Nun ja, Herr! Sie wissen es ja selbst. Ein guter Mensch lehrt einen nichts Schlechtes.«
»Ich weiß, mein Lieber, ich weiß. Heutzutage sind gute Leute selten, mein Freund; die mußt du zu schätzen wissen, mein Freund. Nun, wie sind sie denn?«
»Das wissen Sie ja ... Aber bei Ihnen, Herr, kann ich jetzt nicht länger dienen; das werden Sie ja selbst wissen.«
»Ich weiß, mein Lieber, ich weiß; ich kenne deinen Eifer und deine Dienstwilligkeit; ich habe das alles gesehen, mein Freund, habe das alles bemerkt. Ich schätze dich hoch, mein Freund. Ich schätze einen guten, ehrenhaften Menschen hoch, wenn er auch ein Diener ist.«
»Nun ja, das weiß ich. Unsereiner muß natürlich dahin gehen, wo es besser ist; das wissen Sie selbst. Das ist nun einmal nicht anders. Was soll ich machen? Sie wissen, Herr, einen guten Menschen muß man haben.«
»Nun schön, mein Lieber, schön! Ich kann dir das nachfühlen... Nun also, da hast du dein Geld und dein Zeugnis. Jetzt wollen wir uns küssen, lieber Freund, und voneinander Abschied nehmen ...«
»Jetzt, mein Lieber, bitte ich dich noch um einen einzigen Dienst, um einen letzten Dienst,« sagte Herr Goljadkin in feierlichem Tone. »Siehst du, mein Lieber, es kommt alles mögliche vor. Kummer verbirgt sich auch in vergoldeten Palästen, mein Freund; dem kann man nirgendhin entfliehen. Du weißt, mein Freund, ich bin, wie ich meine, immer freundlich gegen dich gewesen...«
Petruschka schwieg.
»Ich
Weitere Kostenlose Bücher