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Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
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Familie gesegnet! Mein Kindchen sind Sie, mein kleines reizendes!
    Was reden Sie da von den vier Hemdchen, die ich Ihnen geschickt habe! Sie hatten sie doch nötig – Fedora sagte es mir. Und mich, liebes Kind, mich macht es doch glücklich, für Sie sorgen zu können: das ist nun einmal mein größtes Vergnügen – also lassen Sie mich nur gewähren, Kind, und widersprechen Sie mir nicht! Noch niemals habe ich so etwas erlebt, Herzchen. Jetzt lebe ich doch ein ganz anderes Leben. Erstens gewissermaßen zu zweien, wenn man so sagen darf, denn Sie leben doch jetzt in meiner nächsten Nähe, was mir ein großer Trost und eine große Freude ist. Und zweitens hat mich heute mein Zimmernachbar, Ratasäjeff – jener Beamte, wissen Sie, bei dem literarische Abende stattfinden –, also der hat mich heute zum Tee eingeladen. Heute findet bei ihm nämlich wieder so eine Versammlung statt: es soll etwas Literarisches vorgelesen werden. Da sehen Sie, wie wir jetzt leben, Kindchen – was?!
    Nun, leben Sie wohl. Ich habe das alles ja nur so geschrieben, ohne besonderen Zweck, nur um Sie von meinem Wohlbefinden zu unterrichten. Sie haben mir durch Theresa sagen lassen, daß Sie farbige Nähseide zur Stickerei benötigen: ich werde sie kaufen, Kindchen, ich werde sie Ihnen besorgen, gleich morgen werde ichsie Ihnen besorgen. Ich weiß auch schon, wo ich sie am besten kaufen kann. Inzwischen verbleibe ich
    Ihr aufrichtiger Freund
    Makar Djewuschkin.
     
    22. Juni.
    Liebe Warwara Alexejewna!
    Ich will Ihnen nur mitteilen, meine Gute, daß bei uns im Hause etwas sehr Trauriges geschehen ist, etwas, das jedes Menschen Mitleid erwecken muß. Heute um fünf Uhr morgens starb Gorschkoffs kleiner Sohn. Ich weiß nicht recht, woran, – an den Masern oder, Gott weiß, vielleicht war es auch Scharlach. Da besuchte ich sie denn heute, diese Gorschkoffs. Ach, Liebe, was das für eine Armut bei ihnen ist! Und was für eine Unordnung! Aber das ist ja schließlich kein Wunder: die ganze Familie lebt doch nur in diesem einen Zimmer, das sie nur anstandshalber durch einen Bettschirm so ein wenig abgeteilt haben.
    Jetzt steht bei ihnen schon der kleine Sarg, – ein ganz einfacher, billiger, aber er sieht doch ganz nett aus, sie haben ihn gleich fertig gekauft. Der Knabe war neun Jahre alt und soll, wie man hört, zu schönen Hoffnungen berechtigt haben. Es tut weh, weh vor Mitleid, sie anzusehen, Warinka. Die Mutter weint nicht, aber sie ist so traurig, die Arme. Es ist für sie ja vielleicht eine Erleichterung, daß ihnen ein Kindchen abgenommen ist: es bleiben ihnen noch zwei, die sie zu ernähren haben: ein Brustkind und ein kleines Töchterchen so von etwa sechs Jahren, viel älter kann das zarte Ding noch nicht sein.
    Wie muß einem doch zumute sein, wenn man sieht, wie ein Kindchen leidet, und noch dazu das eigene, leibliche Kindchen, und man hat nichts, womit man ihm helfen könnte! Der Vater sitzt dort in einem alten, schmutzigen und fadenscheinigen Rock auf einem halb zerbrochenen Stuhl. Die Tränen laufen ihm über die Wangen, aber vielleicht gar nicht vor Leid, sondern nur so, aus Gewohnheit – die Augen tränen eben. Er ist so ein Sonderling! Immer wird er rot, wenn man mit ihm spricht, und niemals weiß er, was er antworten soll. Das kleine Mädchen stand dort an den Sarg gelehnt, stand ganz still und ernst und ganz nachdenklich. Ich liebe es nicht, Warinka, wenn ein Kindchen nachdenklich ist: es beunruhigt einen. Eine Puppe aus alten Zeugstücken lag auf dem Fußboden, – sie spielte aber nicht mit ihr. Das Fingerchen im Mund: so stand sie, – stand und rührte sich nicht. Die Wirtin gab ihr ein Bonbonchen: sie nahm es, aß es aber nicht. Traurig das alles – nicht wahr, Warinka?
    Ihr
    Makar Djewuschkin.
     
    25. Juni.
    Bester Makar Alexejewitsch!
    Ich sende Ihnen Ihr Buch zurück. Das ist ja ein ganz elendes Ding! – man kann es überhaupt nicht in die Hand nehmen. Wo haben Sie denn diese Kostbarkeit aufgetrieben? Scherz beiseite – gefallen Ihnen denn wirklich solche Bücher, Makar Alexejewitsch? Sie versprachen mir doch vor ein paar Tagen, mir etwas zum Lesen zu verschaffen. Ich kann ja auch mit Ihnenteilen, wenn Sie wollen. Doch jetzt Schluß und auf Wiedersehen! Ich habe wirklich keine Zeit, weiter zu schreiben.
    W. D.
     
    26. Juni.
    Liebe Warinka!
    Die Sache ist nämlich die, Kind, daß ich das Büchlein selbst gar nicht gelesen habe. Es ist wahr, ich las ein wenig, sah, daß es irgendein Unsinn war, nur so zum

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