Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)
schon bald ein Jahr alt ist, doch da Sie mir aus einem alten Schürzchen nicht nur ein Vorhemdchen, sondern auch eine Halsbinde zu verfertigen versprachen, so will ich daran nicht weiter denken. Somit hätten wir Stiefel und Halsbinde. Jetzt noch Knöpfe, mein Liebes! Sie werden doch zugeben, Kindchen, daß ich ohne Knöpfe nicht auskommen kann, von meinem Uniformrock ist aber die Hälfte der Garnitur schon abgefallen. Ich zittere, wenn ich daran denke, daß Seine Exzellenz eine solche Nachlässigkeit bemerken und sagen könnten – ja, was!? Das würde ich ja doch nicht mehr hören,denn ich würde dort sterben, auf der Stelle sterben, tot hinfallen, einfach vor Schande bei dem bloßen Gedanken den Geist aufgeben! Ach ja, mein Kind, das würde ich! – Ja, und dann blieben mir noch nach allen Anschaffungen drei Rubel, die blieben mir dann zum Leben und für ein halbes Pfündchen Tabak, denn sehen Sie, mein Engelchen, ich kann ohne Tabak nicht leben, heute aber ist es schon der neunte Tag, daß ich mein Pfeifchen nicht mehr angerührt habe. Ich hätte ja, offen gestanden, auch so Tabak gekauft, ohne es Ihnen vorher zu sagen, aber man schämt sich vor seinem Gewissen. Sie dort sind unglücklich, Sie entbehren alles, ich aber sollte mir hier gar Vergnügungen leisten? Also deshalb sage ich es Ihnen, daß ich mich nicht mit Gewissensbissen zu quälen brauche. Ich gestehe Ihnen ganz offen, Warinka, daß ich mich jetzt in einer äußerst verzweifelten Lage befinde, das heißt, bisher habe ich in meinem Leben noch nichts Aehnliches durchgemacht. Die Wirtin verachtet mich: von Achtung oder Schätzung – davon kann keine Rede sein. Ueberall Mangel, überall Schulden, im Dienst aber, wo mich die Kollegen auch früher schon nicht auf Rosen gebettet haben, im Dienst – nun, schweigen wir lieber davon. Ich verberge alles, ich suche es vor allen sorgfältig zu verbergen, und auch mich selbst verberge ich: wenn ich in den Dienst gehe, drücke ich mich nach Möglichkeit unbemerkt und seitlich an allen vorüber. Ich habe gerade nur noch so viel Mut, daß ich Ihnen dies offen eingestehen kann …
Aber wie, wenn er nichts gibt?
Nein, es ist besser, Warinka, man denkt gar nichtdaran und quält sich nicht unnütz mit solchen Vorstellungen, die einem schon im voraus jeden Mut rauben. Ich schreibe das nur deshalb, um Sie zu warnen und davor zu bewahren, daß Sie nicht im voraus daran denken und sich mit bösen Gedanken quälen. Tun Sie es nicht! Aber, mein Gott, was würde aus Ihnen werden! Freilich würden Sie dann die Wohnung nicht wechseln, vielmehr hier in meiner Nähe bleiben – aber nein, ich käme dann überhaupt nicht mehr zurück, ich würde einfach untergehen, verschwinden, verderben!
Da habe ich Ihnen nun wieder eine lange Epistel geschrieben, und hätte mich doch statt dessen rasieren können, denn rasiert sieht man stets etwas sauberer und anständiger aus, das aber hat viel zu sagen und hilft einem immer, wenn man etwas sucht. Nun, Gott gebe es! Ich werde beten und dann – mich auf den Weg machen!
M. Djewuschkin.
5. August.
Liebster Makar Alexejewitsch!
Wenn Sie doch wenigstens nicht verzweifeln würden! Es gibt ohnehin schon Sorgen genug! – Ich sende Ihnen dreißig Kopeken, mehr kann ich nicht. Kaufen Sie sich dafür, was Sie da gerade am notwendigsten brauchen, um sich wenigstens noch bis morgen irgendwie durchzuschlagen. Wir haben selbst fast nichts mehr, was morgen aus uns werden wird – ich weiß es nicht. Es ist traurig, Makar Alexejewitsch! Uebrigens sollen Sie deshalb den Kopf nicht hängen lassen: nun, er hat Ihnen nichts gegeben, was ist denn schließlichdabei! Fedora sagt, noch sei es nicht so schlimm, wir könnten noch ganz gut eine Weile hierbleiben – und selbst wenn wir in eine andere Wohnung übergesiedelt wären, hätten wir damit doch nur wenig gewonnen, denn wer es wolle, der könne uns überall finden. Freilich ist es deshalb noch immer nicht schön, jetzt hierzubleiben. Wenn nicht alles so traurig wäre, würde ich Ihnen noch mancherlei schreiben.
Was Sie doch für einen sonderbaren Charakter haben, Makar Alexejewitsch! Sie nehmen sich alles viel zu sehr zu Herzen: deshalb werden Sie auch immer der unglücklichste Mensch sein. Ich lese Ihre Briefe sehr aufmerksam und sehe, daß Sie sich in einem jeden dermaßen um mich sorgen und quälen, wie Sie sich um sich selbst noch nie gesorgt und gequält haben. Man wird natürlich sagen, daß Sie ein gutes Herz haben. Ich aber sage, daß Ihr
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