Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)
Schicksal schon so bestimmt sein. Ewig gerate ich mit etwas anderem, ganz Nebensächlichem zusammen und durcheinander.
Auf das Geschrei hin kam eine alte Hexe zum Vorschein, eine Finnländerin. Ich wandte mich sogleich an sie: ob hier Herr Markoff wohne? Nein, sagte sie zunächst barsch, blieb dann aber stehen und musterte mich eingehend.
»Was wollen Sie denn von ihm?« fragte sie.
Nun, ich erklärte ihr alles: »So und so, Jemeljan Iwanowitsch …« – erzählte auch alles übrige – kurz: ich käme in Geschäften! Darauf rief die Alte ihre Tochter herbei – die kam: ein erwachsenes Mädchen, und barfuß.
»Ruf den Vater. Er ist oben bei den Mietern. Bitte, treten Sie näher.«
Ich trat ein. Das Zimmer war – nun, wie so gewöhnlich diese Zimmer sind: an den Wänden Bilder, größtenteils Porträts von Generälen, ein Sofa, ein runder Tisch, Reseda und Balsaminen in Blumentöpfen – ich denke und denke: soll ich mich nicht lieber drücken, solange es noch Zeit ist? Und bei Gott, mein Kind, ich war wirklich schon im Begriff, fortzulaufen! Ich dachte: ich werde lieber morgen kommen, nächstens, dann wird auch das Wetter besser sein, ich werde noch bis dahin warten! Heute aber ist sowieso die Milch verschüttet, die Generale sehen mich alle soböse an … Und ich wandte mich, ich gesteh's wirklich, schon zur Tür, Warinka, da kam auch schon Er: – so, nichts Besonderes, ein kleines, graues Kerlchen, mit solchen, wissen Sie, etwas heimtückischen Aeuglein, dabei in einem schmierigen Schlafrock, mit einer Schnur um den Leib.
Er erkundigte sich, welches mein Wunsch sei und womit er mir dienen könne, worauf ich ihm sagte: »So und so, Jemeljan Iwanowitsch – etwa vierzig Rubel,« sagte ich, »die habe ich nötig –.« Aber ich sprach nicht zu Ende. An seinen Augen schon sah ich, daß ich verspielt hatte.
»Nein,« sagte er, »tut mir leid, ich habe kein Geld. Oder haben Sie ein Pfand?«
Ich begann, ihm zu erklären, daß ich ein Pfand zwar nicht habe, »Jemeljan Iwanowitsch aber – und so weiter,« mit einem Wort, ich erklärte ihm alles, was da zu erklären war. Er hörte mich ruhig an.
»Ja, was,« sagte er, »Jemeljan Iwanowitsch kann mir nichts helfen, ich habe kein Geld.«
Nun, dachte ich, das sah ich ja schon kommen, das wußte ich, das habe ich vorausgeahnt. Wirklich, Warinka, es wäre besser gewesen, die Erde hätte sich unter mir aufgetan, meine Füße wurden kalt, Frösteln lief mir über den Rücken. Ich sah ihn an und er sah mich an, fast als wolle er sagen: »Nun, geh mal jetzt, mein Bester, du hast hier nichts mehr zu suchen,« – so daß ich mich unter anderen Umständen zu Tode geschämt hätte.
»Wozu brauchen Sie denn das Geld?« – (das hat er mich wirklich gefragt, mein Kind!).
Ich tat schon den Mund auf, nur um nicht so müßig dazustehen, aber er wollte mich gar nicht mehr anhören.
»Nein,« sagte er, »ich habe kein Geld, sonst,« sagte er, »sonst würde ich mit dem größten Vergnügen …«
Ich machte ihm wieder und immer wieder Vorstellungen, sagte ihm, daß ich ja nicht viel brauche, daß ich ihm alles wieder zurückgeben würde, genau zum Termin, ja sogar noch vor dem Termin, daß er so hohe Prozente nehmen könne, wie er nur wolle, und daß ich ihm, noch einmal, bei Gott alles zurückzahlen werde. Ich dachte in dem Augenblick an Sie, mein Kind, an Ihr Unglück und an Ihre Not, und dachte auch an Ihr Fünfzigkopekenstückchen.
»Nein,« sagte er, »wer redet hier von Prozenten, aber wenn Sie ein Pfand hätten … Ich habe im Augenblick kein Geld, bei Gott, ich habe keines, sonst natürlich mit dem größten Vergnügen …«
Ja, er schwor noch bei Gott, der Räuber!
Nun und da, meine Liebe, – ich weiß selbst nicht mehr, wie ich das Haus verließ und wieder auf die Wosnessenskij-Brücke kam. Ich war nur furchtbar müde, kalt war es auch und ich war ganz steifgefroren und kam erst gegen zehn Uhr zum Dienst. Ich wollte meine Kleider etwas abbürsten, vom Schmutz reinigen, aber der Amtsdiener sagte, das gehe nicht an, ich würde die Bürste verderben, die Bürste sei aber Kronseigentum. Da sehen Sie nun, mein Kind, wie ich jetzt von diesen Leuten angesehen werde: als wäre ich noch nicht einmal eine alte Matte, an der man die Füße abwischenkann. Was ist es denn, Warinka, was mich so niederdrückt? – Doch nicht das Geld, das ich nicht habe, sondern alle diese Aufregungen, und daß man mit Menschen in Berührung kommt: all dieses Geflüster, dieses Lächeln,
Weitere Kostenlose Bücher