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Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
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und laß meinen Wunsch in Erfüllung gehen! Wie ich an der –schen Kirche vorüberging, bekreuzte ich mich, bereute alle meine Sünden, besann mich aber darauf, daß es mir nicht zusteht, mit Gott dem Herrn so zu unterhandeln. Da versenkte ich mich denn in meine eigenen Gedanken und wollte nichts mehr ansehen. Und so ging ich denn, ohne auf den Weg zu achten, immer weiter. Die Straßen waren leer, und die Menschen, denen man von Zeit zu Zeit begegnete, sahen besorgt und gehetzt aus – freilich war das auch kein Wunder: wer wird denn um diese Zeit und bei diesem Wetter spazieren gehen? Ein Trupp schmutziger Arbeiter kam mir entgegen: die stießen mich roh zur Seite, die Kerle. Da überfiel mich wieder Schüchternheit, mir wurde bange, und an das Geld, um die Wahrheit zu sagen, wollte ich überhaupt nicht mehr denken – geht man auf gut Glück, nun, dann eben auf gut Glück!
    Gerade bei der Wosnessenskij-Brücke blieb eine meiner Stiefelsohlen liegen, so daß ich selbst nicht mehrweiß, auf was ich eigentlich weiterging. Und gerade dort kam mir unser Schreiber Jermolajeff entgegen, stand still und folgte mir mit den Blicken, fast so, als wolle er mich um ein Trinkgeld bitten. Ach Gott ja, Bruderherz, dachte ich, ein Trinkgeld, was ist ein Trinkgeld!
    Ich war furchtbar müde, blieb stehen, erholte mich ein bißchen, und dann schleppte ich mich wieder weiter. Jetzt sah ich absichtlich überall hin, um irgendwo was zu entdecken, an das ich die Gedanken hätte heften können, so um mich etwas zu zerstreuen, mich etwas aufzumuntern, aber ich fand nichts: kein einziger Gedanke wollte haften bleiben, und zum Ueberfluß war ich auch noch so schmutzig geworden, daß ich mich vor mir selber schämte. Endlich erblickte ich in der Ferne ein gelbes hölzernes Haus mit einem Giebelausbau, eine Art Villa: nun, da ist es, dachte ich gleich, so hat es mir auch Jemeljan Iwanowitsch beschrieben – das Haus Markoffs. (Markoff heißt er nämlich, der Mann, der Geld auf Prozente leiht.) Nun, und da gingen mir denn die Gedanken alle ganz durcheinander: ich wußte, daß es Markoffs Haus war, fragte aber trotzdem den Schutzmann im Wächterhäuschen, wessen Haus denn dies dort eigentlich sei, das heißt also, wer darin wohne. Der Schutzmann aber, solch ein Grobian, antwortete mißmutig, ganz als ärgere er sich über mich, und brummte nur so vor sich hin: jenes Haus gehöre einem gewissen Markoff. Diese Polizeibeamten sind alle so gefühllose Menschen – doch was gehen sie mich schließlich an? Immerhin war es ein schlechter und unangenehmer Eindruck. Mit einem Wort: eins kam zumandern. In allem findet man etwas, was gerade der eigenen Lage entspricht oder was man als gewissermaßen zu ihr in Beziehung stehend empfindet: das ist immer so. – An dem Hause ging ich dreimal vorüber, aber je mehr ich ging, um so schlimmer wurde es: nein, denke ich, er wird mir nichts geben, wird mir bestimmt kein Geld geben, ganz gewiß nicht! Ich bin doch ein fremder, ihm völlig unbekannter Mensch, es ist eine heikle Sache, und auch mein Aeußeres ist nicht gerade einnehmend. Nun, denke ich, wie es das Schicksal will, dann bereue ich es nachher wenigstens nicht, daß ich es überhaupt nicht versucht habe, der Versuch wird mich ja auch nicht gleich den Kopf kosten! Und so öffnete ich denn leise das Hofpförtchen. Aber nun kam schon das andere Unglück: kaum war ich eingetreten, da stürzte solch ein dummer kleiner Hofhund, so ein richtiger Hackenbeißer, auf mich los und kläffte und kläffte, daß einem die Ohren klangen. Und sehen Sie, immer sind es gerade derartige nichtswürdige kleine Zwischenfälle, mein Kind, die einen aus dem Gleichgewicht bringen und von neuem schüchtern machen, und die ganze Entschlossenheit, zu der man sich schon zusammengerafft hat, wieder vernichten. Ich gelangte halb tot halb lebendig ins Haus – dort aber stieß ich gleich auf ein neues Unglück: ich sah nicht, wohin ich trat und was im halbdunklen Flur neben der Schwelle stand – plötzlich stolperte ich über irgendein hockendes Weib, das gerade Milch aus dem Melkgefäß in Kannen goß, und da verschüttete sie denn die ganze Milch. Das dumme Weib schrie natürlich und keifte sogleich und zeterte: »Siehst du denn nicht, wohin du rennst, machdoch die Augen auf, was suchst du hier?« und so ging es weiter ohne Unterlaß. Ich schreibe Ihnen das alles, mein Kind, schreibe es nur deshalb, weil mir in solchen Fällen regelmäßig etwas zustößt: das muß mir wohl vom

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