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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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– Lore sah ich durch die Saaltür zwischen den Tanzenden verschwinden.
    Mir quoll das Herz; ich hatte aus der Ecke, wo ich saß, alles genau beobachtet. Nach einer Weile machte ich mich los und trat in den Saal, um sie zu suchen.
    Sie war nicht unter den Tanzenden; als ich mich aber zwischen den walzenden Paaren durchgedrängt hatte, sah ich sie in einer Fensternische stehen und scheinbar regungslos in das Gewühl hineinstarren; sie war fast so blaß wie die weiße Rose in ihrem Haar.
    »Sie erinnern sich meiner wohl nicht mehr?« fragte ich, indem ich auf sie zutrat.
    Eine tiefe Röte überzog auf einen Augenblick ihr Antlitz. »Oh, doch!« sagte sie leise.
    »Wollen wir tanzen, Lore?«
    Sie senkte, während sie mir die Hand reichte, den Kopf so tief, daß ich ihre Augen nicht zu sehen vermochte; aber ich sah, wie ihre kleinen weißen Zähne sich tief in ihre Lippe gruben.
    So tanzten wir denn zusammen; nur ein paar Runden; denn auch sie mochte fühlen, daß es mir nicht ums Tanzen war. Bald standen wir nebeneinander vor der großen Ausgangstür, deren beide Flügel weit geöffnet waren. Ich blickte unwillkürlich hinaus; es war sehr finster, nur die Stämme der nächsten Buchen waren von dem herausfallenden Schein beleuchtet. Aber ein Strom bewegter Nachtluft trieb erfrischend gegen uns heran, und während von der einen Seite das Kreischen der Geigen und das Scharren der Tanzenden an mein Ohr schlug, vernahm ich zugleich von draußen das traumhafte Rieseln in den Laubkronen des Waldes.
    Das Mädchen stand neben mir, ohne zu sprechen, die Augen zu Boden geschlagen. – Ich faßte mir ein Herz. »Wie mag es Christoph gehen?« fragte ich.
    Sie fuhr zusammen und murmelte etwas, das ich nicht verstand; aber auf ihren blassen Wangen wurden zwei dunkelrote Flecke sichtbar.
    »Was würde er sagen«, fuhr ich fort, »wenn er hier wäre!«
    Ich sah, wie sie nach Atem rang und wie ihre herabhangende Hand krampfhaft an dem Kleide fingerte. »Oh, bitte«, stieß sie leise hervor, »nicht hier, nur nicht hier!«
    »Wo denn? Wollen Sie mich hören, Lore?«
    Sie blickte zu mir auf. »Draußen«, sagte sie leise, »ich werde gleich herauskommen; lassen Sie uns abtreten nach dieser Runde! – Ich habe Sie schon bitten wollen, als ich Sie vorhin im Nebenzimmer sitzen sah.«
    Wir tanzten noch einmal; dann führte ich sie zu Platz und trat durch die Tür in den kleinen Säulengang hinaus. – Es donnerte in der Ferne, und als ich die beiden Stufen ins Freie hinabstieg, wetterleuchtete es, daß ich auf einen Augenblick die einzelnen Baumstämme bis an die See hinab und drunten das Blinken des Wasserspiegels unterscheiden konnte.
    Ich ging um das Haus herum bis an die Kegelbahn und wartete dort. Nicht lange, so sah ich auch den Schimmer eines weißen Kleides, ich hörte den leichten Schritt des Mädchens, und gleich darauf stand sie selbst tief aufatmend vor mir. – So war ich denn endlich wieder mit ihr allein, im Dunkel, in der Sommernacht; aber es waren andere Zeiten. Ehe ich sie anzureden vermochte, hatte sie ein Papier aus der Tasche gezogen, der Schein eines Blitzes fuhr darüber, und ich erkannte Poststempel und Siegel eines Briefes. »Er ist von Christoph«, sagte Lore, indem sie das Papier in meine Hand legte, die ich unwillkürlich danach ausgestreckt hatte.
    »Von Christoph!« rief ich. »Wann haben Sie den Brief erhalten?«
    »Heute!« erwiderte sie leise.
    »Und Sie sind doch hieher gekommen?«
    Sie schwieg.
    »Darf ich den Brief lesen, Lenore?«
    »Ich habe Sie darum bitten wollen.«
    Ich ging an eines der erleuchteten Saalfenster in der hintern Fronte des Hauses. – Lenore war mir langsam gefolgt, und ich fühlte, wie während des Lesens ihre Augen unablässig auf mich gerichtet waren.
    Es war ein langer Brief; Christoph gab von seinem Schweigen Rechenschaft. Er hatte das Geschäft seines Oheims übernommen; aber die Verhältnisse waren lange in der Schwebe gewesen, da alles von einer Verheiratung der Tochter mit einem wohlhabenden Schornsteinfegermeister abgehangen; schon sei er, da eben ein neugieriger Schneider aus der Heimat ihn besucht habe, mit dem Geräte zu ihrer Hochzeitskammer beschäftigt gewesen, als die ganze Sache noch einmal in Frage gestellt worden sei. Jetzt aber war endlich alles geordnet, die Tochter hatte Hochzeit gemacht, und er selbst sollte in den nächsten Tagen das Meisterrecht in der fremden Stadt erwerben. Dann lud er sie ein zu kommen, da er nicht fortkönne, um sie zu holen. »Sobald ich

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