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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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ihn kennen.
    Wir saßen eines Abends, eine bunte Gesellschaft von Künstlern, jungen Juristen und Regierungsbeamten in einem Kaffeehause, und wie gewöhnlich bildeten Politik und soziale Fragen das Thema des Gespräches. An meiner Seite saß der mir damals noch wenig bekannte kleine Maler, ihm gegenüber ein Regierungsassessor, ein junger Mann mit einer Brille und einem blonden Fuchskopf, den ich mitunter in dem gastfreien Hause meines Onkels gesehen hatte. Dieser – er ist seitdem übrigens mein Vetter geworden – schien auf die eifrigen Verhandlungen der andern nur wie auf eine Art Komödie herabzusehen, die ihn in einem müßigen Augenblicke unterhalten durfte. Im Laufe des Gespräches kam man auf den Paß- und Reisezwang, vermöge dessen die jungen Handwerker noch immer als präsumtiv verdächtige Subjekte von einem Polizeiamt an das andere geschickt würden, und es erhob sich ein lebhafter Sturm dagegen. Als auch mein kleiner Nachbar seine sittliche Entrüstung in gleichem Sinne kundgegeben, bemerkte der Assessor, nachdem er ihn erst eine Weile durch seine Brillengläser fixiert hatte: »Aber, soviel ich weiß, Herr Brunken« – und er sprach den Namen, als fasse er ihn mit einer Zange an –, »sind die Kunstmaler diesem Zwange nicht unterworfen.«
    Der Kleine sah mit einem raschen Blicke zu ihm auf. »Wenn Sie damit mein Interesse zur Sache bezeichnen wollen«, erwiderte er, und seine Stimme wurde scharf, »so bin ich in der Lage, Ihnen mitzuteilen, daß ich ein ganzes Jahr als Stubenmalergeselle gewandert bin.«
    »Das wäre«, meinte der andere, »da sprechen Sie denn freilich aus Erfahrung.«
    Aber der Kleine war noch nicht zur Ruhe. Indem er sich in seiner ganzen nicht eben beträchtlichen Höhe aufrichtete, fiel er in sein schwunghaftes Pathos, wobei ihm die Stimme ins Falsett überschlug. So sprach er von verletzter Menschenwürde und dergleichen erhabenen Dingen.
    Was half es ihm, daß er die Wahrheit sprach! Der Assessor behielt ruhig seine Hände in den Hosentaschen und betrachtete den kleinen aufgeregten Mann ihm gegenüber, als ob er etwas höchst Amüsantes vor sich habe. – »So«, sagte er endlich, nachdem jener sich erschöpft auf seinen Platz gesetzt hatte, »Herr Brunken, halten Sie so viel auf Menschenwürde?«
    Die Sache war weit genug gediehen; der kleine Maler, indem ihm der Atem mühsam aus der Brust hervorkeuchte, erwiderte mit einem Worte, das selbst der Assessor nicht kaltblütig zu hören vermochte, und am anderen Morgen gab es ein Pistolenduell, bei dem ich selbstverständlich als Arzt zugegen war. Trotz der geringeren Schußfläche, die er zu bieten hatte, wurde der Maler in der linken Schulter verwundet, und da die übrigens ungefährliche Verletzung eine sorgfältige ärztliche Behandlung nötig machte, so wurden wir dadurch näher miteinander bekannt und bald befreundet. Noch während seiner Genesung, wo ich darauf denken mußte, seinen ungeduldigen Arbeitstrieb zu zügeln, hatte ich ihn in das Haus meines Onkels eingeführt, mit dessen einziger Tochter Gertrud ich vetterlich und kameradschaftlich aufgewachsen war.
    Der Onkel, der es liebte, sich mit jungen Leuten zu umgeben, lernte bald den Menschen wie den Künstler in meinem Freunde schätzen, und es dauerte nicht lange, so saß Gertrud vor seiner Staffelei und ließ ihr blondes Köpfchen von ihm auf die Leinewand bringen. Sie war eine heitere Natur, dazu nur eben über die Kinderschuhe hinaus, und so kamen die beiden in den wiederholten Sitzungen bald auf einen Neckfuß, der für das Mädchen zwar nur eine harmlose Unterhaltung, für das reizbare Temperament meines Freundes aber, wie ich bald bemerkte, nicht ohne tiefere Folgen war. Ich sagte ihr wohl einmal: »Laß unseren Künstler nur nicht zu tief in deine leichtfertigen Augen gucken!« Dann lachte sie mich aus, oder sie sagte: »Aber du bist äußerst komisch!« und begann eins ihrer Schelmenlieder zu trällern, mit denen sie im Hause treppab und -auf zu fliegen liebte.
    So stand die Sache, als mein Onkel eines Tags in der schönen Junizeit auf Getruds Antrieb eine Wald-und Bergpartie veranstaltete, zu der ich außer andern auch unsern Maler einzuladen hatte. – Als ich am Tage vorher in sein Zimmer trat, fand ich ihn arbeitend vor seiner Staffelei; aber sie war vor den Spiegel gerückt, wo des einfallenden Lichtes wegen augenscheinlich ein schlechter Platz zum Malen war und wo ich sie nie zuvor gesehen hatte. »Laß dich nicht stören!« rief ich ihm zu.
    »Nur –

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