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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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meiner geistlichen Bedrängniß wegen obbemeldter Dinge ich mir vielmals hergewünschet, letzthin zum Superintendenten in der Stadt Güstrow, sowie ob seiner Gelahrtheit und Verdienste um das Reich Gottes von der... (die Handschrift ist hier unleserlich) Fakultät zum Doctor honoris causa ist creiret worden.«
    – – Also lautete meines lieben Vaters Brief. Und will hier nicht vermerken, was Herzensschwere ich davon empfangen, wie ich in vielen schlaflosen Nächten mit mir und meinem Gott gerungen, auch gemeinet, ich könne nicht anders, als daß ich heim müsse, um der Armen Leib und Seel zu retten, und wie dann immer das erwachend Tageslicht mir die Unmöglichkeit für solch Beginnen klargeleget.
    Aber, wie die Rede ist, es sei das eine Leid ein Helfer für das andre, so geschahe es auch mir. Denn noch vor dem heiligen Christfeste empfing ich von meiner Mutter einen Brief, daß mein lieber Vater mit unvermutheter Schwachheit befallen sei und selbige allen gebrauchten irdischen Mitteln entgegen ihn fast sehr entkräftet habe; und dann nach wenig Wochen einen zweiten, der mich drängte, meine Studien zu vollenden, da der theuere und getreue Mann nicht lang mehr selber seines Amtes werde warten können.
    Solche mein Herz aufs neu erschütternde Nachrichten trieben mich früh und spät zu strenger Arbeit, und wurd ich bald auch dessen inne, daß ich nur so den Weg zur Heimkehr kürzen könne.
     
    1707. Es währete doch noch bis gegen den März des beigefügeten Jahres, daß ich als ordinirter Adjunctus meines Vaters in meiner lieben Eltern Hause eintraf. Nur noch zum Troste, nicht zur Freude; denn ich fand meinen Vater auf seinem Siechbette, von dem ich wohl sahe, daß er nach Gottes allweisem Rathschluß nicht mehr erstehen solle. Da er nun in den Tagen, die er als seine letzten wohl erkannte, seines einzigen Kindes nicht entbehren mochte, so hatte ich niemanden aus dem Dorfe noch gesehen; auch Renaten nicht. Meine Eltern itzt nach ihr zu fragen, trug ich billig Scheu, und so hörete ich nur noch einmal von unserer alten Margreth, was ich in meines Vaters Briefe schon gelesen hatte.
    Es war aber am Sonntage Reminiscere, an welchem ich zum ersten Male für meinen lieben Vater predigen sollte. Er hatte das heilige Abendmahl seit lange nicht ertheilen können, und so hatten viele sich gemeldet, um es bei seinem Sohne zu empfangen. Dachte auch, Renate würde unter ihnen kommen; aber sie kam nicht.
    Die Nacht zuvor, in welcher mit meiner lieben Mutter ich die Krankenwacht getheilet, hatte der Sturm gar laut gebraust; nun aber lag alles in der lichten Morgensonne, und eben, da ich in den Kirchhof eintrat, scholl mir gleich Auferstehungsgruß ein Drosselschlag vom Wald herüber. Und währete es nicht lange, so stund ich in der Kirchen vor dem Altar und sprach aus inbrünstigem Herzen das »Ostende nobis, Domine, misericordiam tuam«; und die Gemeinde respondirte andächtig: »Et salutare tuum da nobis!« – »Ja, Gott Vater«, sprach ich leise nach, »dein Heil schenke uns; und auch ihr, für die ich hier im Staube zu dir flehe!« Und da itzt der Gesang anhub: »Benedicamus Domino«, wobei die rauhen Kehlen der Männer mit darein sangen, da schwamm gleich einem silbern Lichtlein ein Ton dazwischen, der leuchtete hinab in mein bekümmert Herz; denn ich wußte, welche Stimme ich gehöret hatte.
    Also in fast freudigem Muthe erstieg ich die Stufen zu der Kanzel, und da ich die Augen aufhub, sahe ich gegenüber in dem Emporstuhl ein blasses Angesicht, das ich des Gitters ohnerachtet wohl erkennen mochte. Da hub ich meine Predigt an: »Und siehe, ein kananäisch Weib schrie ihm nach: ›Ach, Herr, du Sohn Davids, erbarme dich meiner; meine Tochter wird vom Teufel übel geplaget!‹, und er entgegnete ihr kein Wort. Da aber die Jünger sprachen: ›Laß sie von dir, Herr; denn sie schreiet uns nach‹, antwortete er und sprach: ›Ich bin nicht gesandt, denn nur zu den verlorenen Schafen von dem Hause Israel!‹« Und mein Herz schwoll mir, und das Wort kam auf meine Lippen; was ich daheim für meine Predigt angemerket, war nur ein Staub, darüber meine Seele sich erhob, und meine Rede ging hervor einem Strome gleich aus heiligen Quellen. In der vollen Kirchen war kaum eines Odems Leben; Männer und Greise sahen zu mir auf, und die Weiber in ihren Gestühlten saßen mit betendem Angesicht. Neben mir in dem Stundenglase verrann der Sand; aber ich merkte es nicht und wußte nicht, wie ich an das Ende meiner Rede kam: »Herr,

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