Werke
aufriß; aber schon flogen seine Augen über die Schrift des Bruders:
»Den mir zuvor bekannten Letzten Willen unseres Vaters«, so lautete der Inhalt, »habe ich, auch so ich es gekonnt hätte, aus gutem Grund nicht hindern wollen, obschon selbiger nicht nur Deinen, sondern gleichermaßen meinen Wünschen widersteht; denn jeder hat itzt, was dem andern dienen würde. So Du also, nachdem Dir solches kundgeworden, in Erkenntnis Deiner Pflicht gesonnen wärest, Dich des geringen Mädchens zu entledigen, so daß ich unseres Hauses Ehre ungefährdet wüßte, dann komme in den nächsten Wochen zu mir auf Schloß Gottorf, und wir werden unseres Erbes Tausch mit Glimpf vollziehen können. Solltest Du aber, wovon ein Hall zu mir gedrungen, in teufelischer Verblendung bereits den Ehebund mit jenem Weibe eingegangen sein, so werd ich Dir die Wege weisen, Dich ihrer dennoch abzutun, und soll zu solchem Dir meine brüderliche Hülfe nicht entstehen.«
Der andre stand noch immer vor dem Junker, der auf das Schriftstück starrte, als ob er mit den Augen es durchbohren müßte. »Wollet mir Urlaub geben«, sprach er; »was Antwort soll ich Euerem Bruder melden?«
Herr Hinrich schien ihn nicht zu hören.
Und wieder nach einer Weile: »Meine Zeit ist kurz«, begann er; »darf ich um Euere Antwort bitten?«
Da fuhr der Junker auf. »Hier ist sie!« schrie er und warf den Brief in Fetzen unter seine Füße. »Ihr aber, so Ihr wußtet, was Ihr mir gebracht, so seid Ihr einen Schurkenweg gegangen!«
Und mit starken Schritten ging er aus dem Saale und war schon drunten aus dem Haustor, als des anderen Hand nach seinem Schwerte fuhr.
Aber der Rappe mußte es fühlen, was auf dem Rückweg in dem Reiter tobte; und als Herr Hinrich vor seinem Hause aus dem Sattel sprang, da drohte ihm Frau Bärbe mit dem Finger: »Das arme Tier! Hattst du denn solche Unrast, zu deinem Weibe wieder heimzukommen?« Er aber legte schweigend seinen Arm um ihre Hüfte und führte sie ins Haus zurück; und als er eine Weile finster dagesessen, berichtete er nur eines, daß ihm Grieshuus im Testamente abgesprochen sei. »Aber ich will mein Recht, und sollt ich wider meinen toten Vater streiten!« Und als die Augen seines Weibes voll Sorge zu ihm aufsahen, rief er: »Du sollst hier nicht in dieser Bauernkate sitzen!«
Ihre Hand strich sanft an seine Wange: »Tu, was du mußt, Hinrich; nur nicht in Zorn und nicht um meinethalben!« Dann zog sie ihn hinaus ins Freie, wo schon das Abendrot am Himmel stand; und sie gingen in die Niederung durch ihre Felder, wo der Erntesegen in goldenen Ähren wogte. Aus einem Seitenwege kam Hans Christoph zu ihnen, zog seinen Hut und sprach: »So Ihr es meinet, Herr, ich denke, wir müßten bald ans Schneiden gehen!«
– – Und wieder nach einigen Tagen, als sie bei all dem Segen, der nun in ihre Scheuer eingefahren wurde, ihren Eheherrn so ohne Freud und ohne Worte zwischen den Leuten umherstehen sah, die Augen nach den mächtigen Wäldern von Grieshuus, die in der Ferne wie ein Gebirge lagen, da sprach Frau Bärbe, seine Hand ergreifend: »Sind das die Flitterwochen, Hinrich?« Und da er zärtlich zu ihr niederblickte, zog sie ihn in das Gärtchen, das hinter der Scheuer war. »Ich weiß wohl, was du sinnest«, sprach sie; »aber bedenke es wohl! Da du mich freitest, tatst du wider deinen Vater; du wolltest minder, als er für dich wollte; tu nun nach seinem Willen, daß du in dem andern dich begnügest!« Doch da sie sah, daß seine Augen noch immer wie im Grolle dicht beisammenstanden, sprach sie beklommen: »Du hast zu hohen Preis für mich gezahlt.«
Da hob er sie mit beiden Armen auf und preßte sie wie ein Kind an seine Brust: »Nein, nein; laß fahren, Bärbe! Ich zahlte für mein Leben; weh dem, der das mir anzutasten waget!«
Es fraß doch weiter in ihm. – Und Herbst und Winter war es geworden, und die Erbteilung war noch immer nicht geschehen. Soviel war zwischen den Brüdern festgesetzt: der Stammhof wurde bis auf weiteres von dem früheren Pächter des Meierhofs verwaltet; aber jeder von beiden betrachtete sich als dessen Herrn. Da, an einem Sonnabend, als in den Bauergarten das erste Grün der Stachelbeeren vorbrach, hieß es, die Braut des herzoglichen Rates und deren Mutter seien mit demselben auf dem Herrenhofe angelangt; die Braut habe, ehe sie den Mann nehme, sich Land und Sand besehen wollen.
Und am Sonntagvormittag war die Kirche voll, und die Weiber und die Dirnen hatten ihre besten Käppchen auf;
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