Werke
kleinen Tische an dem Mittelfenster, schüttete aus einem Kästchen die in Buchs geschnitzten Figuren eines Schachspiels und stellte sie auf die in die Tischplatte eingelegten Felder, ein schweigend übernommenes Amt, das er bei seinen Besuchen stets zu üben pflegte.
Auch heute ließ der Hausherr ihn gewähren, und bald saßen beide sich gegenüber der geistliche Herr im schwarzen Talar, das gleichfarbige Käppchen auf dem dünnen Haare, das an den hageren Schläfen niederhing; der andre im bequemen Hauskleid, das er oft zur Seite schlug, als ob es ihn beklemme; der Wein stand neben ihnen, und der Junker stürzte oft sein Glas hinunter. Aber sein Spiel war nicht wie sonst, wo er nach kurzer Weile dem Pastor ein »Viktoria!« zuzurufen pflegte; heut hatte er schon mehrmals auf bescheidene Erinnerung desselben seinen Zug zurückgenommen; aber immer wieder schob er Bauern und Offiziere unachtlich über die Felder und faßte sie, als ob er sie zerbrechen möchte.
»Mein Herr Patron«, sagte der Pastor, »wälzt wichtigere Dinge in Gedanken; Eure Dame steht abermals im Schach!«
Da schob der Junker das Tischlein von sich, daß die Figuren durcheinanderstürzten. »Das Spiel ein andermal! Ich hab mit Ihm zu reden, Pastor!«
Er war aufgestanden, und bald wanderten beide im Zwiegespräche auf und ab. Der Geistliche hatte mehr und mehr das Haupt erhoben, seine Antworten wurden kurz und sparsam; sicher und bedächtig schritt er an der Seite des immer lauter redenden Patrons. »Und seh Er es nicht an«, rief dieser, »wes Standes und Geschlechts der Sünder sei! Bete Er, wie vorgeschrieben, von der Kanzel über ihm und kündige ihm dann Bann und Gottes Zorn vor sitzender Gemeinde!«
»Ihr vergesset«, sprach der andere, »daß auch, so Euer Sohn der Sünder wäre, die Ladung durch den Küster und die Vermahnung in Gegenwart der Kirchenvorsteher vorangehen müßte, was Euch wohl kaum anstehen dürfte.«
»Ei was! Vermahnet hab ich selber!« rief der Herr von Grieshuus; »wenn’s der Patron tut, braucht es nicht der Bauerntölpel!« Und als von der anderen Seite keine Antwort darauf erfolgte, fügte er hinzu: »Ich weiß ja, Er versteht’s; mach Er’s nur wie um letzte Ostern der Magister in der Stadt! Es war dort auch ein Bube, der gegen den Vater seine Faust gehoben hatte.«
Da sagte der Priester: »Das hat Junker Hinrich nimmermehr getan!«
Aber der Hausherr schrie: »Gegen alle seine Väter hat er die Faust gehoben; aber die unten in den Särgen liegen, können’s nicht; darum muß ich ihr Recht verwahren!«
»Tuet es!« sagte der Pastor; »ich kann es Euch nicht verwehren.«
Der Edelmann hatte seinen Krückstock aus der Ecke gerissen und stieß damit heftig auf den Boden. »Verwehren, sagt Er? Er soll mir helfen, Pastor, wie es gegen Patron und Kirche Seine gottverfluchte Schuldigkeit!«
Der Redende war so laut geworden, daß im Unterhause das Gesinde auf den Schwellen stand; die naskluge Binnermagd hatte sich schon vordem hinaufgeschlichen und lag mit dem Ohr am Schlüsselloch.
Der geistliche Herr mochte auf jene Worte seines Patrones nur das Haupt geschüttelt haben; denn dieser hub aufs neue an: »Er wird’s gar nicht verstanden haben, Pastor: zu seinem Ehgemahl will er das Weibsbild machen! Gleich nach der Kirchen, heut am Vormittage, da, wo Er itzo steht, hat mir der Junker von Grieshuus das ins Gesicht geworfen!«
»Das sieht ihm gleich«, sagte der Pastor; »Euer Sohn ist weder ein Gotteslästerer noch ein Jungfernschänder.«
Ein zornig Lachen entfuhr dem alten Herrn: »Ein Jungfernschänder? – – Er ist kein Edelmann; Er versteht’s nicht Pastor: ein ganz Geschlecht von makellosen Rittern will er schänden!«
Da frug der geistliche Herr fast leise, daß es des Edelmannes Ohr nur kaum erreichte: »Hat unser Herr Martinus solches auch verschuldet, da er des Ritters Tochter in seine Kammer brachte?«
Aber der Junker schrie: »Laß Er mir den Martinus aus dem Spiel und red Er, ob man auf Ihn rechnen kann! Bedenk Er auch, der Sünder möchte so die leichtste Buße tragen!«
Fast drohend hatte er diese letzten Worte ausgestoßen; doch der Pastor antwortete: »Wider eine christliche Ehe hat die Kirche keine Buße; das andere aber ist meines gnädigen Herrn Patrones Sache, in welche ich nicht hineinzureden habe.«
Als diese Worte von dem Ohr der horchenden Dirne aufgefangen waren, hatten die Schritte drinnen sich der Tür genähert, und sie war eilig die Treppe, die sie hinaufgeschlichen, wieder
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