Werke
Rosse, Reiter und Hunde sind durch die offene Thorfahrt in den Hof hineingebrochen.
»Aber der Wolf, der grise Hund«, sagte der Junker und nickte mir mit seinen blauen Augen zu, »hat doch mein Pferd gebissen; es ist noch lang nicht besser; der Vetter kann es nicht kurieren.«
Es war kurz danach, am Vormittage des zweiten Sonntags nach Epiphanias. Draußen über den Reitplatz fegte der Nordost; derohalben ließ der Herr Oberst den kleinen Rappen nach dem Schloßhof führen, denn die Wunde an der Kehle, so der Wolf dem Thiere zugefüget, wollte noch immer sich nicht schließen, obschon von dem Vetter und dem alten Schäfer mit Wundwasser und Kräutersalben wacker dazu gethan war.
Der Junker Rolf stand neben mir auf der Freitreppe vor dem Herrenhause; wir sahen zu, wie der Herr Oberst dem Rappen mit linder Hand über die wunde Stelle strich und dem muthigen Thiere beschwichtigende Worte zusprach.
»Wird bald baten, Gnaden Herr Oberst!« sagte der Schäfer; und der Vetter, der auch daneben stand, steckte die Hände in seine weiten Hosensäcke und sprach wie allzeit, wenn er seiner Weisheit auf den Boden sah: »Freilich, freilich, Oberst; will nur alles seine Weile haben.« Der Oberst aber schüttelte den Kopf und warf einen gar despektierlichen Blick auf den sorglosen alten Herrn: »Gegen Wölfe und Wunden helfen nicht bloße Worte, davon Ihr großen Vorrath habet!«
Indem hörte ich Schritte von der Einfahrt her und sah über den Rappen weg einen hohen, aber schon stark ergrauenden Mann in den Hof treten; er trug ein lederfarben Wams und hatte einen Hirschfänger am Gurte hängen, war auch sonst in seiner Kleidung wie damals solche, die im Jagd- oder Forstwesen in hoher Herren Diensten standen; aber in seinem Antlitz waren tiefe Furchen. Ihm zu jeder Seite ging ein gar gewaltiger brauner Schweißhund mit breitem Ohrgehänge, welche mit ihm auf uns zuschritten. Seltsam schien mir, daß er nicht um sich blickte, sondern geradeswegs nach der Stelle ging, wo der Oberst sich neben dem wunden Rosse hielt.
Als dieser sich aufrichtete und ihm sagte, er sei der Herr hier, und was Botschaft etwa er zu bringen habe, lüftete der Fremde ein wenig seine Kappe, aber fast nicht als ein Untergebener oder ein Begehrender, und hub dann im ruhigen Tone an, wie er als erprobter hirsch- und wolfgerechter Jäger den Wölfen nicht nur mit Schießen, Gruben oder Giftlegen, sondern auch auf minder bekannte Art beizukommen gute Wissenschaft erlanget, und zu dem Ende, da er von dem Nothstand hier vernommen dem Herrn Oberst seine Dienste offeriere.
»Oho!« rief der Vetter und warf sich in die Brust; »wir halten hier nichts auf solche Jägerstücklein und Teufelsspielereien; sind auch genug der fahrenden Weidgesellen, die viel versprechen und dann wenig halten!«
Der Oberst hieß ihn schweigen, deutete aber auf die Hunde, die schier unbeweglich standen, die klugen Augen zu denen des greisen Mannes gerichtet, und sprach zu diesem: »Wenn Er mir dienen will, was hat Er Seine Köter nicht am Thor gelassen? Hier binnen ist nur Platz für meine und meiner Freunde Hunde.«
Unter den buschigen Augbrauen des aufrechten Alten schoß es wie Funken; doch er entgegnete ruhig: »Wer ihren Herrn dingen will, der muß sie sich gefallen lassen; der Handel wird nur um so besser sein.«
Der Oberst schwieg einen Augenblick und frug dann: »Was für Atteste hat Er?«
Der Alte griff in sein Wams und übergab ihm eine Schrift; der Junker Rolf aber sah inzwischen nur nach den Hunden: »Oh, sehen Sie, Herr Magister, die beiden schönen Kerle!«
Er wollte zu ihnen; da rief ich laut und griff nach seiner Hand: »Laß, laß, Junker! Das sind von den grausamen Bluthunden, und sie kennen dich ja nimmer!«
Bei diesen Worten sah der Fremde, uns andere nicht beachtend, auf den Knaben; ja fast, als ob er mit den Augen ihn verschlingen wollte, daß er nicht hörte, wie der Oberst zu ihm redete: »Das wäre etwas; der König hat in seinem Preußen wohl weidgerechte Männer brauchen müssen. Hat Er mehr desgleichen?«
Aber es bedurfte eines weiteren Wortes, bevor der Fremde nochmals in sein Wams griff und ein zweites Schriftstück dem Oberst überreichte; zum Junker aber sprach er: »Es ist nicht Gefahr, so ich zugegen bin!« und raunete ein Wort zu beiden Thieren.
Da sprang der Knabe von der Treppe und lief zu den Hunden, die jetzt ihre großen Köpfe zu ihm wandten; der Fremde aber ließ langsam seine Hand auf des Junkers Scheitel sinken, und seine Lippen
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