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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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davon erzählte, sprach er: »Da in der Heide müssen Sie itzt nimmer gehen, Herr Magister; ich bin zu Pferde dort gewesen und doch fast vom Leben abgekommen!«
    Und auf meine Bitte hat er es also mir erzählet: Eine grimmige Kälte ist es dazumal gewesen, am Nachmittage vor dem letzten Heiligabend, zwei Wochen nur vor meiner Herkunft, und wie bleicher Messingglanz hat die Dezembersonne über die Heide hingeglinstert. Droben in dem großen Saale hat die Tante Heide herumgehamstert, ganz mutterseelenallein, und hat niemand hinein dürfen, weder vom Gesinde, noch auch der Junker Rolf, wohl selber kaum der Oberst; denn für alle ist da drinnen die Weihnachtsbescherung aufgebauet worden; der Vetter nur ist eigenwillig aus-und eingehuschet, denn er hat’s gar besser noch verstanden als die Tante. Junker Rolf aber ist vor Ungeduld treppauf und – ab gesprungen, auch auf den Hof und in die Ställe eingelaufen und zuletzt dann in des Oberst Zimmer, wo dieser mit dem Verwalter vor der Gutsrechnung gesessen: »Was soll ich anfangen, Papa? Um fünf Uhr erst will Tante Heide schellen!«
    »So geh zu deiner Freundin, der alten Matten!«
    »Mag ich heut nicht, Papa.«
    »So reit noch eine Stunde!« hat der Oberst ihm gesagt und kaum von seinen Büchern aufgesehen; »und nimm den Braunen an die Leine!«
    Drauf ist der Junker in den Stall gegangen, wo die beiden Klepper an der Krippe standen, und hat dem Knecht gerufen, daß er ihm den Rappen sattle und ihm den Braunen an die Hand gehe.
    »Hopp, Stella! Fera, hallo!« Und so ist er in den bleichen Winterschein auf die Heide hinausgeritten; die Mulde hinunter und weiter, immerzu über den hartgefrorenen Boden. »Hussa!« Und er hat seine kleine Kappe mit der braunen Geierfeder vor Lust geschwenket, und die kleinen feurigen Rosse haben getanzt, als wüßten auch sie, daß heut noch Weihnacht-Heiligabend sei.
    Plötzlich ist die Sonne weg gewesen. Noch kurze Weile hat das schwarze Heidekraut geleuchtet; dann hat die große dunkle Schattendecke sich gebreitet, und bald danach ist vom Himmel mehr zu sehen gewesen als drunten von der Erden. »Oh, lieb Christkindel«, hat der kleine Reiter gerufen; »nun wird wohl bald für dich gebimmelt werden!«
    Mit diesem wandte er seine beiden Rosse, die gleich als Hunde seiner jungen Hand gehorchten. »Hopp, Fera! Stella, hopp!« Und heimwärts ging es noch viel fröhlicher als hinaus. Mitunter ließ er seine flinken Augen seitwärts über die dunkeln Heidebreiten streichen, aber sehen konnte er nichts; nichts war zu hören als der Trab der Pferde auf dem harten Boden und das eigene Athemholen, denn das meiste Gethier schlief unten in seinen Winterhöhlen; nur über ihm flammten und zitterten die Sterne in der grimmen Winterkälte.
    Da, als er schon der rechtshin auslaufenden Waldspitze gegenüber war, die sich noch schwach am Abendhimmel merkbar machte, hörte er von dorten etwas durch die Heide trotten. Um besser zu hören, zog er den Zügel an; aber die Pferde warfen mit den Köpfen, schnoben und drängten mit allen Kräften vorwärts. Der Junker hat zuerst gedacht, es sei ihr Hatzrüde, der seit ehegestern fort gewesen, und: »Fuko, Fuko!« hat er laut hinausgerufen.
    Dann ist er vor seinem eigenen Ruf erschrocken, denn es ist ihm jäh aufs Herz gefallen, daß vor dem Fuko, der ihr Stallkamerad gewesen, seine Klepper nicht solch ein Zittern und Schäumen überkommen würde. Und immer näher ist es auf ihn zu getrottet. Der Pferde ist er so unmächtig geworden, daß sie mit ihrem jungen Reiter, als ob sie flögen, gegen den Herrenhof dahingeraset sind, der nur noch aus einem schwebenden Lichtschein über der Höhe kenntlich war.
    Immer toller ist die Jagd gegangen, und da ist es dicht an ihm heran gewesen. »Ein Wolf! Ein Wolf! Hülfe, Hülfe!« hat das Kind geschrien und dabei seine Peitsche geschwungen, unachtend, daß es dessen nicht bedurfte. Dann gab es einen Ruck; der Rappe hatte mit den Vorderhufen ausgehauen, daß Junker Rolf die blanken Eisen durch das Dunkel blitzen sah; er hatte die Füße aufgezogen und lag mit der Brust auf dem Halse seines Pferdes.
    Das aber stieß einen Zeterschrei aus, und sausend ging es nach dem Hofe und schon dem Aufstieg und dem Thore zu: »Kilian! Marten! Jens!« Er wußte selber nicht, wen er gerufen hatte, aber ein Geheul ist von dem Hofe losgebrochen; und Fuko und die andern Hunde sind hinausgestürzet und um das Pferd herum, und die glimmenden Augen an dessen Seite sind in die Nacht zurückgewichen.

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