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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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Es verfolgte sie auf Trepp’ und Gängen, und in der Krankenkammer war es unverjagbar. Und als der Abend kam, da trieb es sie im Dunkeln zu der Truhe, und ihre zitternde Hand tappte nach dem Rest des Pulvers. In dem Trunke, den Frau Wulfhild an diesem Abend ihrem Eheherrn gab, trank er den Tod hinunter.
    Zwei Tage später war in dem düsteren Hausgang die Leiche ausgestellt; doch nur Frau Wulfhild stand hoch aufgerichtet mit untergeschlagenen Armen an der Totenlade und sah mit immer größer werdenden Augen auf das harte Leichenantlitz. »Leb wohl, Hans Pogwisch!« sprach sie; »der Kampf ist aus, auch zwischen uns! Ich hab deiner Hand mich schwer erwehrt! – Ein andermal – doch, das kümmert dich nicht mehr!«
    Eine Dienerin war eingetreten mit den Trauergewändern auf den Armen; und schweigend wandte sich die Witwe von dem Toten und schritt mit ihr zur Kammer, wo noch das Ehebett für sie und den Gefallenen stand. Die Kammerfrau tat ihr das lange, mit schwarzen Tränen bestickte Skapulier an und knüpfte die mönchsartige Hüftschnur um den geschmeidigen Leib; sie aber hatte dessen nicht weiter acht. Erst als die Dienerin ihr zur Beschau den Metallspiegel vorhielt, fuhr sie wie aus Träumen auf. »Das sei Gott geklagt, der mich zur Witwe machte!« rief sie. »Ich habe darum doch nicht den Tod gefreit!« Dann, mit rascher Hand den Gürtel lösend, schleuderte sie ihn von sich und zerriß das feierliche Gewand in einem Ruck von oben bis fast zum untern Saume. »Bring mir mein braunes Wollenkleid, das mag genügen!« Und die erschrockene Dienerin schritt schweigend aus der Kammer, um den Befehl der strengen Herrin zu erfüllen.
    Des Toten Sippe, da solches kund ward, sah die Witib drob mit scheelen Augen an; Klaus Lembeck aber hatte zu sich selber gesprochen: ›Das ist das Weib für Rolf Lembeck; die wird den flüggen Vogel halten!‹ Er sah wohl, daß erst jetzt die Lebensfülle dieses Weibes sich völlig auszuwachsen begann: die blauen Gluhaugen ließ sie froh umherschweifen und das wellige Goldhaar fiel ihr frei über den stolzen Nacken; doch so viele ihrer auch begehrten, sie sah noch keinen, dem sie sich jetzt ergeben mochte.
    Da, an einem Frühlingsmorgen, trat Rolf Lembeck mit seinem Vater zu ihr ins Gemach. Die Stunde war vorher bestimmt, und lange, mit steigendem Herzschlag, war sie auf und ab geschritten; doch als die jugendlichen Gestalten sich jetzt gegenübertraten, fehlte nach der feierlichen Verneigung beiden das Wort der Anrede; wie erschrocken über ihre Schönheit schauten sie sich an.
    Klaus Lembeck lächelte in seinen Bart. »Mein Sohn Rolf Lembeck, edle Fraue!« sagte er, »dem, wie ich sehe, der Anblick Euerer Schöne schier den Mund verschlossen hat.«
    Sie atmete tief auf: »Ihr scherzet, Herr Marschall; Euer edler Sohn hat der Frauen wohl schönere gesehen zu Paris und draußen in dem Reich!«
    Aber Rolf Lembeck rief: »Verzeihet, viel schöne Frauen; doch keine Schauenburgerin!« Und beider Blicke sanken ineinander.
    Dem alten Ritter gefiel es wohl, daß er eine Weile schier vergessen dastand. Dann aber sprach er: »Ich seh schon Eueren Willen; nur des Schreibers Kunstwerk ist noch vonnöten!«
    Frau Wulfhild langte nach einer Schelle, die auf dem Tische stand.
    »Was wollt Ihr, Fraue?« frug der Ritter.
    »Euch den Schreiber rufen«, sprach sie lächelnd, »denn einen Vater möcht ich, wie Ihr seid, Ritter!«
    »Dank, holde Fraue!« rief der Alte. »Nun, Rolf, willst du dieses Weib aus deines Vaters Hand?«
    Rolf hatte schon die schöne Frauenhand an seinen Mund gezogen und sein beteuernd »Ja« gesprochen, als Klaus Lembeck ein beschrieben Pergament hervorzog. »Wir brauchen keinen Schreiber«, sagte er, behaglich nickend; »ich gehe nicht ohne Rüstung auf so zweifelhaftes Feld! Was Euch an Gütern eigen ist, Frau Wulfhild, weiß ich; was ich dem Sohne gebe, mögt Ihr hieraus sehen! Nun leset, ob ich nach Euerem Sinn geschrieben habe!«
    Sie rollte das Blatt auf und sah hinein; gelesen hat sie nichts davon; es war auch nicht vonnöten, denn Klaus Lembeck suchte in derlei Dingen niemanden zu hintergehen. Sie tauchte eine Feder in ihr Dintenfaß und schrieb in großen Zügen unter das Schriftstück: »Wulfhild von Schauenburg, Hans Pogwisch’ Witib.«
    Und als zu zweit auch Rolf mit flüchtiger Hand den Entwurf der Eheakte unterzeichnet hatte, da war der Verspruch getan, und Klaus Lembeck sagte wohlgefällig: »Mögen gräflicher Notarius und der Priester nun das Letzte tun!«
    Frau

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