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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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Erich gehörte. Ein schleswigscher Ritter, Hans Ravenstrupp, saß als Schloßhauptmann des Königs dort, ein Mann von gewaltigem Körperbau. Halbwüchsig war er einst ein wilder Gesell gewesen und von rascher Faust; er hatte den eigenen Bruder einmal fast im jähen Zorn erschlagen. Doch je mehr seine mächtige Gestalt sich auswuchs, je mehr er gefürchtet, ja als überlegener Streitentscheider aufgerufen wurde, um so milder wurden seine Sitten; dazu half ihm auch sein froh und gut Gemüt, das ihm der Herr mit auf die Welt gegeben hatte. So war er ein glücklicher und fester Mann geworden. In einigen Händeln seines Königs hatte er grimmig und mit Glück gefochten; kam er dann heim mit seinen Burgleuten, so standen vor der offenen Torfahrt sein zartes dunkles Eheweib, drei Söhne und zwei Töchter, alle voll Kraft und Wohlgestalt, und schwenkten grüne Buchenzweige in den Händen; dann sprang er von seinem Streithengst, und sie gingen über den Hof in das große Tor der unteren Halle, das erst vor wenigen Jahrzehnten von der Herzogin hier gebrochen war; und Glück und Friede gingen mit. Zogen an Sommerabenden dann Wanderer oder Reiter unten durch den Sandweg, so hörten sie manches Mal ein Lachen oder Rufen von frohen Kinderstimmen über sich; dazu wohl eine tiefe Männerstimme, die beruhigend dazwischensprach. Die gehörte dem Ritter Hans Ravenstrupp, der hier seine Abendmuße mit Frau und Kindern teilte; denn der Burggarten, den ausnahmsweise dieser fürstliche Bau besaß, lag dort hinter starken Mauerzinnen. Die Hügelwand freilich fiel hier steil und kahl hinab; aber hart daran war eine italischePappel, derzeit eine Seltenheit hierzulande, so hoch hinaufgewachsen, daß sie die Mauer wohl um zwanzig Schuh noch überragte. An einem ihrer oberen Zweiglein flatterte jetzt an leichtem Faden ein Kunstschmetterling aus bunten Hahnenfedern, den die ältere Schwester Heilwig angefertigt und den der Vater dort befestigt hatte. Der älteste Knabe stand hinter den Würzebeeten an dem Taxusbusche, seine gespannte Armbrust in der Lage; die Jüngste, die kleine süße Dagmar, hatte die Mutter auf den Arm genommen, damit sie alles sehen könne. Nun kam aufs neu ein Lufthauch, der den Sommervogel flattern machte. »Schieß!« rief der Vater, und der Bolzen flog von des Knaben Armbrust; eine Feder stob aus dem Schmetterling und wurde von dem Winde hoch in die Luft getragen. Da klatschten alle in die Hände, der Vater und die Mutter auch, und die süße Dagmar schlug ihr Kinderlachen auf und ließ nicht ab, sich ihre Händchen rot zu patschen.
     
    Es wurde alles anders. – Einige Jahre später, es war an einem Nachmittage des Septembers 1349, da der Ritter mit seinem Schreiber an der Arbeit saß, kamen die damals elfjährige Dagmar und der um ein Jahr ältere Bruder Axel mit erschreckten Gesichtern zu ihm hineingestürzt. Etwas unwillig blickte er auf: »Was ist? Was habt ihr, Kinder?«
    Sie waren fast außer Atem; aber Dagmar, das schmächtige Ding, war, wie um Furchtbares zu erzählen, mit erhobenen Armen vor ihn hingetreten.
    »Nacht!« rief sie. »Es wird Nacht, Vater!« Und aus dem schmalen Gesichtlein sahen die schwarzen Augen zu ihm auf.
    Der Ritter blickte um sich: sie hatte recht, die Sonne war erloschen; die Wände des Gemaches standen öd und lichtlos.
    »Ja, Herr«, sagte der Schreiber; »es fällt wie Asche auf die Schrift.«
    »Nein, Ringang, nicht wie Asche!« rief der Knabe; »ich sah es: im Norden, weit hinaus, stieg schwarzer Nebel aus der Erde und schwimmt wie eine Wolke auf uns zu; seht nur, es wird ganz finster hier! Kommt, kommt mit hinaus!«
    Die Kinder faßten beide die Hand des Vaters; und er ließ sich von ihnen aus dem Gemach und nach dem stumpfen Turm hinaufziehen; auch die Mutter mit der älteren Tochter und die beiden älteren Söhne stießen auf dem Wege aus Hallen und Gemächern zu ihnen. Als sie die Platte des Turms erstiegen hatten, stand schon ein Teil des Gesindes dort und wich ehrerbietig an die Seite; alle schwiegen, nur die alte Schaffnerin flüsterte mit ihrer heiseren Stimme zu dem einen oder anderen: »Die Zeichen des Herrn erfüllen sich! Wißt Ihr noch, da um das Julfest dreizehn Kühe jählings wild geworden! Und da wir nach dem Backen das erste Gerstenbrot anschnitten, schnitten wir nicht in schwarzes Blut? Des Herrn Gericht! O alle Heiligen, seid unsre Helfer!« – Aber niemand antwortete ihr.
    Die Schloßfrau hatte die Hand ihres Mannes ergriffen, und bald lagen alle Kinderhände

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