Werke
ihnen noch nicht gesprochen worden. Da eines Sommervormittages, als Wienke mit der Alten und den beiden Tieren auf den großen Steinen vor der Scheuntür saß, gingen ihre beiden Eltern, der Deichgraf seinen Schimmel hinter sich, die Zügel über dem Arme, hier vorüber; er wollte auf den Deich hinaus und hatte das Pferd sich selber von der Fenne heraufgeholt; sein Weib hatte auf der Werfte sich an seinen Arm gehängt. Die Sonne schien warm hernieder; es war fast schwül, und mitunter kam ein Windstoß aus Südsüdost. Dem Kinde mochte es auf dem Platze unbehaglich werden. »Wienke will mit!« rief sie, schüttelte die Möwe von ihrem Schoß und griff nach der Hand ihres Vaters.
»So komm!« sagte dieser.
– Frau Elke aber rief: »In dem Wind? Sie fliegt dir weg!«
»Ich halt sie schon; und heut haben wir warme Luft und lustig Wasser, da kann sie’s tanzen sehen.«
Und Elke lief ins Haus und holte noch ein Tüchlein und ein Käppchen für ihr Kind. »Aber es gibt ein Wetter«, sagte sie; »macht, daß ihr fortkommt, und seid bald wieder hier!«
Hauke lachte: »Das soll uns nicht zu fassen kriegen!« und hob das Kind zu sich auf den Sattel. Frau Elke blieb noch eine Weile auf der Werfte und sah, mit der Hand ihre Augen beschattend, die beiden auf den Weg und nach dem Deich hinübertraben; Trin’ Jans saß auf dem Stein und murmelte Unverständliches mit ihren welken Lippen.
Das Kind lag regungslos im Arm des Vaters; es war, als atme es beklommen unter dem Druck der Gewitterluft; er neigte den Kopf zu ihr. »Nun, Wienke?« frug er.
Das Kind sah ihn eine Weile an. »Vater«, sagte es, »du kannst das doch! Kannst du nicht alles?«
»Was soll ich können, Wienke?«
Aber sie schwieg; sie schien die eigene Frage nicht verstanden zu haben.
Es war Hochflut; als sie auf den Deich hinaufkamen, schlug der Widerschein der Sonne von dem weiten Wasser ihr in die Augen, ein Wirbelwind trieb die Wellen strudelnd in die Höhe, und neue kamen heran und schlugen klatschend gegen den Strand; da klammerte sie ihre Händchen angstvoll um die Faust ihres Vaters, die den Zügel führte, daß der Schimmel mit einem Satz zur Seite fuhr. Die blaßblauen Augen sahen in wirrem Schreck zu Hauke auf. »Das Wasser, Vater! das Wasser!« rief sie.
Aber er löste sich sanft und sagte: »Still, Kind, du bist bei deinem Vater; das Wasser tut dir nichts!«
Sie strich sich das fahlblonde Haar aus der Stirn und wagte es wieder, auf die See hinauszusehen. »Es tut mir nichts«, sagte sie zitternd; »nein, sag, daß es uns nichts tun soll; du kannst das, und dann tut es uns auch nichts!«
»Nicht ich kann das, Kind«, entgegnete Hauke ernst; »aber der Deich, auf dem wir reiten, der schützt uns, und den hat dein Vater ausgedacht und bauen lassen.«
Ihre Augen gingen wider ihn, als ob sie das nicht ganz verstünde; dann barg sie ihr auffallend kleines Köpfchen in dem weiten Rocke ihres Vaters.
»Warum versteckst du dich, Wienke?« rannte der ihr zu; »ist dir noch immer bange?« Und ein zitterndes Stimmchen kam aus den Falten des Rockes: »Wienke will lieber nicht sehen; aber du kannst doch alles, Vater?«
Ein ferner Donner rollte gegen den Wind herauf. »Hoho?« rief Hauke, »da kommt es!« und wandte sein Pferd zur Rückkehr. »Nun wollen wir heim zur Mutter!«
Das Kind tat einen tiefen Atemzug; aber erst als sie die Werfte und das Haus erreicht hatten, hob es das Köpfchen von seines Vaters Brust. Als dann Frau Elke ihr im Zimmer das Tüchelchen und die Kapuze abgenommen hatte, blieb sie wie ein kleiner stummer Kegel vor der Mutter stehen. »Nun, Wienke«, sagte diese und schüttelte sie leise, »magst du das große Wasser leiden?«
Aber das Kind riß die Augen auf. »Es spricht«, sagte sie; »Wienke ist bange!«
– »Es spricht nicht; es rauscht und toset nur!«
Das Kind sah ins Weite. »Hat es Beine?« frug es wieder; »kann es über den Deich kommen?«
»Nein, Wienke; dafür paßt dein Vater auf, er ist der Deichgraf.«
»Ja«, sagte das Kind und klatschte mit blödem Lächeln in seine Händchen; »Vater kann alles – alles!« Dann plötzlich, sich von der Mutter abwendend, rief sie: »Laß Wienke zu Trin’ Jans, die hat rote Äpfel!«
Und Elke öffnete die Tür und ließ das Kind hinaus. Als sie dieselbe wieder geschlossen hatte, schlug sie mit einem Ausdruck des tiefsten Grams die Augen zu ihrem Manne auf, aus denen ihm sonst nur Trost und Mut zu Hülfe gekommen war.
Er reichte ihr die Hand und drückte sie, als ob es
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