Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
Vom Netzwerk:
Pfund. Die Frau besah den Flachs und sagte, es sei unmöglich; aber wenn sie mit auf ihrer Hochzeit tanzen dürfe, so wolle sie es versuchen. Da ward das Mädchen froh und ging heim, und am Sonnabend hatte sie das schönste Garn im Hause, noch ebener, als das erste war. Als aber der Bräutigam am Sonntag zu ihr kam und das saubre Gespinste betrachtete, da wollte er sich noch nicht zufriedengeben, sondern brachte aufs neue zwanzig Pfund und sagte: »Noch dieses bis zum Sonnabend, dann soll gewiß die Hochzeit sein.« Als er fortgegangen war, blieb das Mädchen in großer Traurigkeit zurück; denn es schien ihr unmöglich, das Verlangte ins Werk zu setzen. Es war aber schon Abend, und die Sterne schienen klar auf die Erde, und als sie so in trüben Gedanken den alten Weg wieder einschlug, da fiel ein Stern vom Himmel, der blieb in ihrer Schürze liegen auf dem Flachs; da dachte sie dran, daß ihre Mutter ihr immer gesagt habe, das bedeute Glück, und als sie etwas weiter gegangen war, da fand sie beim Sternenschein eine Kleevier und steckte sie ans Mieder; und als sie noch etwas weiter gegangen war, da gesellte sich ein schneeweißes Lamm zu ihr, dem ging sie nach, und so kamen beide an eine Hütte; da saß drinnen eine alte freundliche Frau am Spinnrad, die war so breit, daß sie auf drei Stühlen nicht Platz hatte. Die Frau aber fragte das Mädchen, was sie herführe. »Es muß Gottes Schickung sein«, antwortete sie und erzählte ihr alles; und die Frau versprach ihr, das Garn zu spinnen, unter der Bedingung, daß sie mit zur Hochzeit käme. Das Mädchen aber ging frohen Herzens nach Hause, und als nun der Sonntag kam, da zeigte siedem Bräutigam das Gespinste, das schöner war als alles andre. Da vermochte er der Schönheit des Mädchens nicht länger zu widerstehn und sagte: »Morgen soll die Hochzeit sein«; die Braut aber gedachte mit Angst ihres Versprechens. »Ich habe drei alte Bekannte«, sagte sie, »erlaubt mir, daß ich sie mit zur Hochzeit lade.« Der Bräutigam aber sagte es ihr willig zu, sie möchte laden, was sie an Freunden und Sippschaft hätte.
    Als nun der Tag vorüber war, so war die Hochzeit; da ging’s lustig her, und waren viel feine und saubre Leute zu Gast, denn der Bräutigam war wohl angesehen. Als nun die Gäste beinahe versammelt waren, so hielten noch drei Kutschen vor der Tür; da kam aus der ersten die mit den breiten Lippen, aus der zweiten die mit der langen Nase, und aus der dritten – – – nein, die dritte kam nicht heraus, denn die Kutschentür war zu eng, die mußte mit Stricken herausgezogen werden. Die drei gingen nun in den Hochzeitssaal und pflanzten sich unter den andern Frauen der Reihe nach auf. Die Gäste erstaunten sehr, und der Bräutigam fragte die Braut: »Wie kamst du zu der garstigen Freundschaft?« Dann ging er zu der ersten und fragte: »Liebe Frau, habt Ihr allzeit solche breite Lippen gehabt?« – »Ei, mein Söhnchen«, antwortete sie, »wie sollte man nicht breite Lippen haben, wenn man so lange am Spinnrad sitzt und den Faden leckt.« Darauf ging er zu der andern und fragte: »Liebe Frau, habt Ihr allzeit eine so entsetzlich lange Nase gehabt?« – »Ei, mein Söhnchen«, antwortete die, »da muß einem die Nase wohl ausschießen, wenn man so lange Jahre sitzt und nickt und tritt das Rad und stößt mit der Nase den Flachs auseinander.« Endlich ging er auch zur dritten und fragte: »Liebe Frau, seid Ihr allzeit so gewaltig breit gewesen?« – »Ei, mein Söhnchen«, antwortete sie, »da muß man wohl breit werden, wenn man so lange Jahre am Spinnrad sitzen muß.« Da befiel den Bräutigam auf einmal eine Angst, daß seine Braut wegen des vielen Spinnens auch schon zu solchen Mißgestaltungen ansetzen möchte. Daher nahm er sie schnell in seinen Arm und besah sie von allen Seiten, aber er fand sie noch schlank und schön, daß es eine Freude war. Das Spinnrad aber ließ er heimlich zerschlagen, und war von der Zeit an vom Flachsspinnen nicht mehr die Rede, sondern als die Hochzeit vorüber war, lebten sie ohne Spinnrad in Glück und Freuden, denn wenn
er
unwirsch war, war
sie
freundlich. –
    »Das Stück gefällt mir«, sagte ich, »vorzüglich, weil es am Ende doch noch so herauskommt, daß die alten häßlichen Spinnfrauen drei wohltätige Feen sind; aber unrecht war es doch von der Marie, daß sie ihrem Bräutigam solche Flausen vormachte.«
    »Oh!« versetzte Claas, »meine Mutter pflegte immer zu sagen, das müsse eine schlechte Frau sein, die

Weitere Kostenlose Bücher