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Werwelt 02 - Der Gefangene

Werwelt 02 - Der Gefangene

Titel: Werwelt 02 - Der Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
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plötzliche Spannung wahr, die von Renee ausging, doch er blieb ruhig und unbefangen.
    »Wir, ich meine Leonard und ich, waren richtige Brüder, aber nach dem Tod unseres Vaters verheiratete sich unsere Mutter wieder. Ich nahm den Namen meines Stiefvaters an, Golden. Leonard behielt den Namen unseres richtigen Vaters, Burney.« Er lächelte unschuldig.
    »Bill«, sagte Renee mit sehr beherrschter Stimme, »würdest du uns etwas zu trinken holen? – Mr. Golden, würden Sie ein Glas Wein trinken? Oder einen Whisky?«
    »Ein Glas Wein gern, danke«, erwiderte Barry.
    Hegel hievte sich aus dem Sessel und stampfte schweren Schrittes aus dem Zimmer. Barry fragte sich, ob er vielleicht mitten in einen Streit hineingeplatzt war, oder ob der Mann im Beisein von Fremden immer so ungewandt war, beinahe unwirsch.
    Renee hatte sich eine Zigarette genommen und zündete sie an. Er konnte ihr kein Feuer geben, da er in den gestohlenen Sachen, die er trug, weder Feuerzeug noch Zündhölzer gefunden hatte. Er betrachtete sie ganz unverhohlen, während sie sich die Zigarette anzündete. Der glatte Satin ihres orientalischen Gewandes schimmerte wie Wasser, wenn sie sich bewegte. Sie faszinierte ihn, vielleicht so sehr, wie ihre Schwester den kleinen Jungen fasziniert hatte; doch das war ein anderes Leben, eine Vergangenheit, die nicht in seine unmittelbaren Erinnerungen gehörte.
    »Glauben Sie an das Übernatürliche?« fragte sie plötzlich, ihn aus seinen Gedanken reißend.
    Er lächelte. Die Frage war so naiv, daß er sogleich tief gerührt war von ihrer Unschuld. Am liebsten hätte er ihre Hände genommen, als wäre sie ein Kind gewesen, und zu ihr gesagt, du Liebe, du Schöne, was für eine Frage stellst du da diesem Geschöpf, das neben dir sitzt, diesem jungen Mann, der der sichtbare Teil eines Untiers ist, angesichts dessen du vor Angst erstarren würdest? Kannst du im Ernst annehmen, daß das Universum nicht weiter reicht als das Wahrnehmungsvermögen deiner Sinne? Statt dessen jedoch setzte er eine Miene der Nachdenklichkeit auf.
    »Sie meinen an Geister und solche Sachen? Hm, ich weiß nicht recht, ich kann jedenfalls nicht mit Bestimmtheit behaupten, daß ich’s nicht tue«, erwiderte er mit einem Lächeln am Ende, als würde er sich eben erst seiner eigenen Einstellung dazu bewußt.
    »Ich suche nach einer Möglichkeit, Mr. Golden«, erklärte sie, »Sie darauf vorzubereiten, was Sie erwartet, wenn Sie meine Mutter und meine Schwester sprechen.« Sie rauchte nervös, in hastigen Zügen, klopfte die Zigarette immer wieder am Aschenbecher ab und fegte den Rauch weg, als störte er sie, obwohl sie ihn doch produzierte. »Die beiden scheinen nämlich überzeugt davon, daß der kleine Junge, Ihr Neffe, eine Art übernatürliches – äh – Wesen war.«
    Sie brach ab und drückte die Zigarette zornig im Aschenbecher aus. Zwischen ihren Brauen standen jetzt zwei steile Falten, die ihr sonst so ruhiges Gesicht auf faszinierende Weise, wie Barry fand, veränderten.
    »Wissen Sie, Mrs. Hegel, im Rahmen meiner Arbeit muß ich viel recherchieren und sitze oft stundenlang in Zeitungsarchiven. Da stößt man immer wieder auf ungeklärte Geschehnisse. Manchmal stecken da natürlich einfach schlampige Berichterstattung oder Falschmeldungen oder hysterische Zeugen dahinter. Aber Sie sagen, daß Ihre Angehörigen, die meinen Neffen aufgenommen hatten und ihn – äh, wie lange? Zwei oder drei Monate? – bei sich behielten, glaubten, er wäre ein Geist oder so was?« Er fuhr sich mit der Hand durch das dicke blonde Haar, als wäre er baß erstaunt.
    »Ich bin so – ich meine, es ist nicht einfach, darüber zu sprechen«, sagte sie.
    In ihrem Bemühen, sich ihm irgendwie zu erklären, berührte sie mit einer Hand unwillkürlich Barrys Rechte, die auf seinem Knie lag. Bei der Berührung durchzuckte es ihn, als hätte er einen elektrischen Schlag erhalten, obwohl sie so befangen war in ihrem Bemühen, ihm die Situation klarzumachen, daß sie sich der Berührung kaum bewußt war. Ein Verlangen überkam ihn, seine Hand sehr sachte an diese weiße Wange zu legen, seine Finger in das schwarze Haar zu graben. Doch er fing sich und kämpfte die erwachenden Sinne jener Macht nieder, die in ihm wohnte.
    »Ich glaube, es gibt keine andere Möglichkeit, als Ihnen zu wiederholen, was sie sagten.«
    In diesem Augenblick kehrte ihr Mann zurück, stellte ein Glas Rotwein vor Barry auf den niedrigen Tisch, reichte Renee einen Whisky mit Wasser und trug

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