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When the Music's Over

When the Music's Over

Titel: When the Music's Over Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Myra Çakan
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ihn zu, hockte sich vor ihm hin und sagte: »Wir einig, du klein, du mit uns, wenn wollen.«
    Diesmal war die Reihe an Garfield, »aha« zu sagen. Dann sprang er auf, lief die Treppen hoch und rannte in seine Kammer. Er hatte schnell gepackt. Und genauso schnell rannte er die Treppen wieder runter. Die Schauspieltruppe erwartete ihn mit lachenden Gesichtern. Und sollte er noch Zweifel gehabt haben, dann waren sie jetzt verschwunden. Es würde gut sein, wieder unter Menschen zu sein.
    Er blickte sich einmal kurz um und nahm Abschied von dem Ort, der in den vergangenen Monaten sein Zuhause gewesen war. Plötzlich rannte er noch einmal zurück. Aus irgendeinem dummen Impuls heraus griff er sich den blöden Gameboy und steckte ihn in seine Anoraktasche. Er holte seine neue Familie noch in dem verwilderten Vorgarten ein.

    Tante Clara-Susanna Della Rosa faszinierte ihn. Ihr seltsames Kauderwelsch, das er im Laufe der folgenden Monate zu interpretieren lernte, ihre abergläubischen kleinen Rituale und ihre bunte Kleidung. Und irgendwie wurde die alte Frau die Großmutter für ihn, die er nie gehabt hatte. Sie war es auch, die letztendlich den Ausschlag gegeben hatte, dass er sich der Truppe anschloss. Es sollte allerdings noch eine ganze Weile vergehen, bis ihm bewusst wurde, welch ein Glück er gehabt hatte, dass er der reisenden Schauspieltruppe begegnet war.
    In London – damals, als die Stadt noch nicht zerstört war – war die »Royal Shakespeare Theater Truppe« regelmäßig auf den Festivals aufgetreten. Einmal hatten sie sogar einen Preis gewonnen, erzählte Paolo, der bis zu Garfields Ankunft immer die weiblichen Rollen gespielt hatte. Sie hatten viele solche Geschichten, die sie sich abends am Feuer erzählten. Sie hatten auch viele dieser Feuer unter offenem Himmel. Nicht immer spielte der Zufall ihnen ein verlassenes Haus zu, und oft war es nur einfach sicherer, im Freien zu übernachten.
    Jetzt, fünf Jahre nach dem Großen Brand, hatte Tante Clara-Susanna beschlossen, dass die Truppe mit Hamlet, Prinz von Dänemark in England auf Tournee gehen sollte. Alfredo, ihr ältester Sohn, meinte, dass das Ensemble für dieses Stück zu klein sei. Ein Einwand, den Tante Clara lässig zur Seite wischte, schließlich beherrschte sie sowohl die Königinmutter als auch den Geist.
    Garfield, der sich für gewöhnlich aus den Streitgesprächen der Truppe heraushielt, musste grinsen. Ein Publikum, das »Eurisch« verstand, verfügte wohl kaum über den Kunstverstand, Shakespeare zu würdigen. Und wenn er ehrlich war, als Frau Schröder-Hintergassner das Thema durchgenommen hatte, war er viel zu beschäftigt gewesen, unter dem Pult in Comix zu blättern. Inzwischen hatte er, in den langen, einsamen Wochen in dem Haus, die Kurzfassung sämtlicher Klassiker der Weltliteratur gelesen – so hießen die Bücher mit dem Kunstledereinband, die in der massigen, eichefurnierten Schrankwand standen. Fürs Leben, wie sie immer so schön sagten, hatte er allerdings nichts gelernt. Das tat er auf der Straße.
    Er empfand nur eine vage Beunruhigung bei dem Gedanken, in ein fremdes Land zu reisen, doch die Neugierde überwog. Und zuerst lief alles ganz großartig. Sie spielten in Gemeindehäusern, Sporthallen und Schulen. Draußen auf dem Land, wo die Zerstörung an den Menschen vorübergegangen war. Es hatte zumindest den Anschein. Nur die Besucher waren auch hier immer gegenwärtig.
    Einmal führten sie Romeo und Julia sogar für die Vierfinger auf. Sie hatten die Bühne auf dem Handballfeld einer Sporthalle ohne Dach aufgebaut. Er war die Julia und die meiste Zeit vergaß er seinen Text oder verpasste seine Einsätze, so fasziniert war er von den fremden Wesen, die da auf den rissigen Plastikbänken hockten. Tante Clara spielte natürlich die Amme, was ihr die Möglichkeit gab, den Jungen öfter zu kneifen, wenn er patzte. An jenem Abend kam Garfield der Gedanke, dass die Schauspielerei vielleicht doch nicht sein Ding war.
    Nach der Vorstellung schlenderte er die stille Dorfstraße entlang. Wegen der Energie-Verknappung herrschte Verdunkelung, aber er hatte keine Angst vor den Schatten. Seit jener Nacht, als ein kleiner Junge barfuß und allein im schlammigen Hochwasser gestanden hatte, trugen seine Schreckgespenster andere Gesichter. Ohne es zu bemerken, ließ er die Häuser hinter sich. Er hielt erst an, als er vor sich eine kahle, weite Fläche sah. Am Horizont war der Nachthimmel mit einem rötlichen Streifen versehen, dort lag die

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