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White Horse

White Horse

Titel: White Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Adams
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»Das werde
ich auf meine Liste schreiben.«
    ZEIT: DAMALS
    Â»Vergiss es«, sage ich zu Jenny.
    Die Stimme meiner Schwester klingt nach Minnie Maus mit einem nervig
schrillen Unterton, so als würden Fingernägel über eine Kreidetafel kratzen,
Letzteres aber nur, wenn sie mich unbedingt umstimmen will.
    Â»Aber er ist total nett. Er wird dir gefallen. Und er muss ja nicht
der Mann fürs Leben sein.« Ich sehe sie vor mir, wie sie blinzelt und
bedeutungsvoll die Augenbrauen hochzieht, um mir die Vorzüge einer lockeren
Sexbeziehung näherzubringen. Unsere Mutter wäre begeistert.
    Â»Nett«, sage ich.
    Â»Ein Traumtyp.«
    Â»Danke, ich muss mir heute Abend die Haare waschen.«
    Â»Aber ich habe ihm schon von dir erzählt. Er rechnet fest mit deinem
Erscheinen.«
    Â»Dann lass dir eine Ausrede einfallen und lade ihn wieder aus.«
    Ihr Geplapper gerät ins Stocken. »Das meinst du nicht im Ernst. So
unhöflich kann ich nicht sein. Du musst kommen.«
    Â»Tut mir leid«, sage ich und lege auf.

    Meine Mutter zieht sämtliche Register, um mir ein schlechtes
Gewissen einzureden.
    Â»â€¦Â kam mir endlos vor«, schwafelt sie. »Du warst schon als Baby so
verdammt störrisch. Ganz anders als deine Schwester. Die meldete sich
freundlicherweise schon zwei Wochen vor dem Termin. Nach drei Stunden war alles
vorbei. Sie wollte das Licht der Welt erblicken. Du dagegen … Das waren die
längsten sechsunddreißig Stunden meines Lebens …«
    Ich habe zwei Möglichkeiten. Entweder ich gehe zu dieser blöden
Dinner-Party meiner Schwester, oder ich stülpe meiner Mutter eine Plastiktüte
über den Kopf und warte, bis alle ihre Beschwerden erstickt sind. Ich entscheide
mich für das Übel, das nicht als Straftat geahndet wird.

DREI
    ZEIT: JETZT
    Das Dorf erscheint jenseits der Straßenkuppe: Aphrodite,
die sich aus den Fluten erhebt. Sie schreitet durch den ewigen Nieselregen, um
uns zu begrüßen. Wir wissen nicht, ob sie uns gut oder übel gesinnt ist, aber
das Gleiche könnte sie wohl von uns behaupten. In dieser Welt steht hinter
allem ein dickes Fragezeichen. Sogar Steuerabgaben gibt es nicht mehr. Als
einzige feste Größe bleibt der Tod.
    Wir passieren einen Steinbogen, rötlich braun wie gebrannter Ton. Überall
im Dorf herrscht diese Farbe vor. Unsere Blicke wandern über niedrige
Lehmhütten mit flachen Vorbauten und primitiven Schindeldächern. Es gibt eine
Handvoll Läden mit eingestaubten Waren in verdreckten Auslagen. Und es gibt
eine Kirche. Ihre hohen Holzportale sind verrammelt und die Fenster mit
Brettern zugenagelt.
    Die Stille, die auf dem Ort lastet, wirkt alles andere als
friedlich.
    Wir halten an. Drehen uns um. Ich spähe die menschenleere Straße
entlang. Nichts rührt sich. Niemand zupft an einem der Spitzenvorhänge.
    Â»Niemand da.« Lisa wölbt die Hände wie einen Trichter vor dem Mund.
»Hallo?« Ihre Stimme prallt von den verlassenen Gebäuden ab.
    Â»Lass das!«
    Erschrocken senkt sie die Hände. »Das war unüberlegt, nicht wahr?«
    Â»Schon gut. Wir sollten uns nur möglichst leise verhalten. Das ist
alles.«
    Â»Warum? Wer könnte sich hier draußen herumtreiben?«
    Â»Verzweifelte Menschen.« Und Monster.
    Â»Deshalb bestand mein Vater darauf, auf dem Bauernhof zu bleiben. Er
sagte, da hätten wir genug zu essen und müssten uns nicht gegen Diebe und
Räuber verteidigen.«
    Â»Damit zumindest hatte er recht.«
    Â»Meinst du, wir sollen umkehren?«
    Ich antworte nicht. Meine ganze Aufmerksamkeit gilt einem kleinen
Lebensmittelladen. Im unteren Drittel des Schaufensters sind schleifengeschmückte
Gläser mit Eingemachtem und Marmeladen aufgeschichtet. Obst und Zucker. Wir könnten
beides gebrauchen.
    Â»Hörst du etwas?«
    Sie lauscht und schüttelt den Kopf.
    Â»Warte hier«, weise ich sie an. Jemand muss auf die Vorräte
achtgeben, die wir noch haben.
    Die Glocke erklingt ganz zart, beinahe furchtsam, als ich mit
äußerster Vorsicht die Tür aufschiebe. Ein typischer Tante-Emma-Laden, der
nebenbei wohl auch Souvenirs im Angebot hatte. Das würde zumindest all die
Flechtkörbe und die Kreuzstich-Arbeiten erklären, die in billigen Rahmen an den
Wänden hängen. Ich fülle zwei Körbe mit Erdbeer-, Pfirsich- und
Kirschmarmelade. Die übrigen Läden kann ich vergessen: ein

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