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White Horse

White Horse

Titel: White Horse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Adams
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Plänen um. Der Mensch hat sein
Mitspracherecht verloren.
    In einem Monat werde ich einunddreißig. Ich bin achtzehn Monate
älter als zu dem Zeitpunkt, da die Seuche zuschlug. Zwölf Monate älter als zu
dem Zeitpunkt, da der Krieg ausbrach und die ganze Welt erfasste. Irgendwo
zwischen damals und jetzt drehte die Geologie durch und trieb das Klima in den
Wahnsinn. Kein Wunder, wenn man überlegt, was geschehen war. Neunzehn Monate
sind vergangen, seit ich das Gefäß zum ersten Mal zu Gesicht bekam.
    Ich befinde mich im früheren Italien, im Wohntrakt eines ehemaligen
Gehöfts. Das hier ist längst nicht mehr das Land, in dem fröhliche Touristen
Münzen in den Trevi-Brunnen werfen oder in Scharen zum Heiligen Stuhl pilgern.
Oh, anfangs strömten sie herein wie Sichelzellen, die sich in dichten Klumpen
durch eine enge Ader zwängen, die Taschen voll mit Erspartem, das sie bereitwillig
der Kirche ausgehändigt hätten – für den einen rettenden Schuss. Nun sind die
Straßen von Vatikanstadt mit Leichen übersät. Bis nach Rom hinein verteilen
sich die Toten. Niemand schiebt mehr mit stockendem Atem eine Hand in La Bocca della Verità und wispert eine der frommen Lügen,
an die sich alle geklammert haben: dass nun jeden Tag ein Allheilmittel auf den
Markt kommen wird; dass eine Forschergruppe auf einem abgelegenen Berggipfel
einen Impfstoff entwickelt hat, der uns wieder gesund machen kann; dass Gott
seine Heerscharen für eine heilige Rettungsaktion entsenden wird; dass wir alle
mit dem Leben davonkommen werden.
    Streitende Männerstimmen sickern durch die Wände und erinnern mich
daran, dass ich zwar allein auf dieser Welt, aber nicht allein in diesem Haus
bin.
    Â»Es ist das Salz.«
    Â»Was hast du bloß mit deinem Scheiß-Salz!«
    Eine Faust dröhnt dumpf gegen Holz.
    Â»Und ich sage dir, es ist das Salz.«
    Ich liste im Geiste meine Habseligkeiten auf, während die Stimmen
weiterstreiten: Trekking-Rucksack, Stiefel, Regenmantel, ein Stoffaffe, dazu
eine Plastikhülle mit dem nutzlosen Pass und einem Brief, den ich aus Feigheit
bis heute nicht geöffnet habe. Das ist alles, was ich in diese verlotterte
Kammer retten konnte. Ich bin zu dem Schluss gelangt, dass der Dreck in diesem
Haus noch aus der Zeit vor dem Zusammenbruch stammt. Ärmlicher Haushalt, kein
Geld für Reparaturen.
    Â»Was ist es dann, wenn nicht das Salz?«
    Â»Glucose-Fructose-Sirup«, sagt die andere Stimme überzeugt.
Vielleicht hat der Typ ja recht. Wer weiß das schon?
    Â»Aha! Und wie erklärt das Afrika? In Timbuktu gibt es keine
Süßigkeiten. Deshalb sind die alle klapperdürr und haben aufgeblähte Bäuche.«
    Â»Salz, Maissirup, was spielt das noch für eine Rolle?«, frage ich
die Wände, aber sie sind ratlos und bleiben stumm.
    Ich spüre eine Bewegung. Als ich mich umdrehe, sehe ich Lisa
Ohne-Nachnamen im Eingang stehen. Sie füllt ihn nicht aus. Seit meiner Ankunft
vor einer Woche ist sie noch schmächtiger geworden. Zehn Jahre jünger als ich,
Engländerin, aus einem dieser kleinen Kaffs, die alle auf -shire enden. Die
Tochter eines der Männer im Zimmer nebenan, die Nichte des anderen.
    Â»Es spielt keine Rolle, was die Seuche verursacht hat. Jetzt nicht
mehr.« Sie starrt mich mit fiebrig glänzenden Augen an. Aber das ist ein Trick.
Lisa ist von Geburt an blind. »Oder?«
    Meine Zeit läuft ab. Wenn ich die Fähre nicht erwische, schaffe ich
es nie nach Griechenland.
    Ich bücke mich, hieve den Rucksack auf die Schultern. Auch sie sind
schmächtiger geworden. Im eingestaubten Wandspiegel sehe ich, wie sich meine
Knochen unter dem dünnen T-Shirt abzeichnen.
    Â»Nicht wirklich«, antworte ich. Als die erste Träne über ihre Wange
rollt, gebe ich ihr das Letzte, was ich noch habe. Ich umarme sie und streiche
ihr sanft über das spröde Haar.
    Bis das Gefäß auftauchte, wusste ich nicht, dass ich Knochen aus
Stahl habe. Das gottverdammte Gefäß.
    ZEIT: DAMALS
    Mein Apartment ist eine moderne Festung. Schlösser,
Sperrketten und auf der Innenseite ein Code, der nicht mehr als drei
Fehlversuche zulässt. Danach rückt ein Sicherheitstrupp an und überprüft, ob
ich wirklich die bin, für die ich mich ausgebe. Das ganze System ist von einem
schäbigen Holzrahmen umgeben.
    Elf Stunden in hermetisch abgedichteten Räumen Böden schrubben,
Toiletten

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