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Wicked - Die Hexen von Oz

Wicked - Die Hexen von Oz

Titel: Wicked - Die Hexen von Oz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Maguire
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die Keulen zücken konnte, sprang Frex auf die unterste Stufe, eine ausklappbare Trittfläche. »Warum nennt sich dieses Ding eine Uhr? Das einzige Ziffernblatt, das es hat, ist vor lauter ablenkendem Krimskrams gar nicht zu sehen. Außerdem bewegen sich die Zeiger nicht: Schaut her, seht selbst! Sie sind bloß aufgemalt und stehen auf einer Minute vor Mitternacht fest. Was ihr hier seht, ist nichts weiter als eine mechanische Spielerei, meine Freunde, nichts weiter. Ihr werdet mechanische Felder sprießen sehen, Monde zu- und abnehmen, einen Vulkan ein weiches rotes Stück Stoff mit schwarzen und roten Pailletten speien. Wenn es so ein tolles Tiktakding ist, warum können die Zeiger am Ziffernblatt dann nicht umlaufen? Warum nicht? Das frage ich euch, ja, dich, Gornette, und dich, Stoi, und dich, Perippa. Warum ist das keine richtige Uhr?«
    Sie hörten gar nicht zu, weder Gornette noch Stoi noch Perippa, und die anderen genauso wenig. Sie waren zu sehr damit beschäftigt, erwartungsvoll zu gaffen.
    Â»Die Antwort lautet natürlich, dass die Uhr nicht die irdische Zeit messen soll, sondern die Zeit der Seele. Die Zeit der Erlösung und der Verdammnis. Für die Seele steht die Uhr jederzeit auf einer Minute vor dem Gericht.
    Eine Minute vor dem Gericht, meine Freunde! Wenn ihr in den nächsten sechzig Sekunden sterbt, wollt ihr dann die Ewigkeit in den vernichtenden Tiefen verbringen, die den Götzenanbetern vorbehalten sind?«
    Â»Ziemlicher Radau hier heute Abend«, sagte jemand im Dunkeln – und die Zuschauer lachten. Genau über Frex – er riss den Kopf herum – schaute aus einer Klappe ein kläffender kleiner Hund, dessen Haare so dunkel und kraus waren wie seine. Der Hund wippte an einer Sprungfeder, und sein Geblaffe war ohrenbetäubend schrill. Das Gelächter schwoll an. Mittlerweile war es so dunkel geworden, dass Frex nicht mehr genau erkannte, wer da lachte, wer ihm jetzt zuschrie, er solle beiseitetreten, damit man was sehen könne.
    Da er von alleine nicht wegging, wurde er höchst unfeierlich von seinem Standort entfernt. Der Zwerg hieß alle mit blumigen Worten willkommen. »Unser ganzes Leben ist ein sinnloses Hasten und Machen. Wie Ratten buddeln wir uns ins Leben ein, und wie Ratten wühlen wir uns hindurch, und wie Ratten werden wir am Ende ins Grab geworfen. Warum sollten wir da nicht hin und wieder einer prophetischen Stimme lauschen oder uns ein Mirakelspiel anschauen? Hinter der äußeren Falschheit und Nichtigkeit unseres Rattenlebens verbirgt sich doch eine einfache Ordnung, ein Sinn! Kommt näher, gute Leute, und erlebt, was ein wenig Wahrsagekunst über euer Leben zutage bringt! Der Zeitdrache blickt voraus ins Unsichtbare, er kennt die Wahrheit der kurzen Frist, die euch hier bemessen ist. Schaut her, was er euch zeigt!«
    Die Menge schob sich weiter vor. Der Mond war aufgegangen und schien wie das Auge eines zornigen, rächenden Gottes. »Hört auf! Lasst mich los!«, rief Frex. Es war schlimmer, als er gedacht hatte. Er war noch niemals von seiner eigenen Gemeinde herumgestoßen worden.
    Die Uhr führte eine Geschichte auf über einen öffentlich fromm tuenden Mann mit wolligem Bart und dunklen Ringellocken, der Einfachheit, Armut und Großzügigkeit predigte, dabei aber selbst eine geheime Schatulle mit Gold und Smaragden hatte, verborgen im aufklappbaren Busen einer verzärtelten Tochter der blaublütigen Gesellschaft. Der Halunke wurde auf höchst unappetitliche Weise mit einer langen Eisenstange gepfählt und seiner hungrigen Herde als Pfarrerrostbraten am Spieß serviert.
    Â»Das appelliert an eure niedrigsten Instinkte!«, brüllte Frex, die Arme verschränkt, knallrot vor Wut.
    Doch jetzt, wo es fast völlig finster war, griff ihn jemand von hinten an, um ihn zum Schweigen zu bringen. Ein Arm legte sich um seinen Hals. Er verdrehte sich, um zu erkennen, welches verfluchte Gemeindemitglied sich so eine Frechheit erlaubte, aber alle Gesichter waren von Kapuzen verhüllt. Er bekam ein Knie in den Unterleib, krümmte sich und ging zu Boden. Ein Fuß traf ihn voll zwischen den Hinterbacken, und sein Magen rebellierte. Die übrige Menge bekam davon nichts mit. Sie grölte vor Vergnügen über die nächste Posse des Zeituhrdrachens. Eine mitfühlende Frau im Witwentuch packte Frex am Arm und zog ihn fort – er war zu besudelt, zu

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