Widersacher-Zyklus 02 - Die Gruft
Behalte sie.«
»Gut. Sag mir nur Bescheid, wenn ich sie abstoßen soll.«
Das war gelogen. Jack konnte keine Aktien kaufen. Dazu brauchte man eine Sozialversicherungsnummer. Ohne die eröffnete kein Investmentmanager ein Depot für ihn. Also behauptete er seinem Vater gegenüber, er würde seine Aktientipps beherzigen, und sah sich immer mal wieder die Aktienkurse an, um zu sehen, wie seine imaginären Aktienpakete gerade standen.
Und sie standen alle gut. Dad hatte ein Händchen dafür, billige, nicht sehr gängige und nicht börsennotierte Aktien zu finden, die unter Wert angeboten wurden. Er kaufte dann ein paar Tausend Anteile, sah zu, wie sich der Preis verdoppelte, verdreifachte oder sogar vervierfachte, verkaufte und fand etwas Neues. Über die Jahre hinweg war er damit so erfolgreich gewesen, dass er schließlich seinen sicheren Job an den Nagel gehängt hatte, um zu sehen, ob er von den Gewinnen seiner Aktiengeschäfte leben konnte. Er hatte einen Computer mit einer Direktleitung zur Wall Street und verbrachte seine Tage damit, mit Aktien zu jonglieren. Er war glücklich dabei. Er verdiente genauso viel wie in seinem früheren Job, er war sein eigener Herr, und niemand konnte ihm sagen, er müsse mit fünfundsechzig in den Ruhestand gehen. Er lebte von seinem Verstand und das schien ihm zu gefallen, denn er wirkte entspannter als je zuvor.
»Wenn ich etwas Besseres finde, dann lasse ich es dich wissen. Dann kannst du deine AriPet-Gewinne noch weiter ausbauen. Ach übrigens, hast du die Anteile über ein persönliches Depot oder als Alterssicherung gekauft?«
»Ah … als Alterssicherung.« Wieder eine Lüge. Er konnte natürlich auch nichts als Altersvorsorge von der Steuer absetzen.
Manchmal machte es ihm Sorgen, dass er alle Menschen belügen musste, vor allem Menschen, denen er eigentlich vertrauen wollte.
»Gut. Wenn man nicht glaubt, dass man die Anleihen lange genug behält, um dafür Zinsen zahlen zu müssen, sollte man sie als Altersvorsorge angeben.«
Jack wusste, worauf sein Vater hinauswollte. Dad hatte sich ausgerechnet, dass Jack als ungelernter Handwerker nach dem Berufsleben auf Sozialhilfe angewiesen wäre, und davon konnte niemand leben. Er versuchte, seinem verlorenen Sohn beim Aufbau einer Alterskasse zu helfen.
Sie fuhren auf den Parkplatz vor den beiden städtischen Tennisplätzen. Sie waren beide belegt.
»Sieht so aus, als hätten wir kein Glück.«
Dad schwenkte einen Zettel. »Keine Sorge. Das hier besagt, dass Platz 2 zwischen 10:00 und 11:00 Uhr für uns reserviert ist.«
Während Jack im Kofferraum nach seinem neuen Schläger und den Bällen suchte, ging sein Vater zu dem Paar, das auf Platz 2 spielte. Der Mann packte missmutig seine Sachen ein, als Jack ankam. Das Mädchen – sie musste an die neunzehn sein – starrte ihn wütend an, während sie an einem Tetrapak mit Kakao nippte.
»Sieht so aus, als käme es nicht darauf an, dass man zuerst da ist, sondern wen man kennt.«
Jack versuchte es mit einem freundlichen Lächeln. »Nein, es kommt nur darauf an, vorauszuschauen und einen Platz zu reservieren.«
Sie zuckte die Achseln. »Es ist ein Reiche-Leute-Sport. Ich hätte gar nicht erst versuchen sollen, damit anzufangen.«
»Na, wir werden hier doch keine Klassenkämpfe ausfechten wollen, oder?«
»Wer? Ich?«, fragte sie mit einem unschuldigen Lächeln. »So etwas würde mir nie einfallen.«
Damit schüttete sie den Rest ihrer Kakaopackung auf den Platz, direkt an der Aufschlagstelle.
Jack biss die Zähne zusammen und drehte ihr den Rücken zu. Ihm war sehr danach, seinen Tennisschläger an ihr auszuprobieren. Er entspannte sich etwas, nachdem sie mit ihrem Freund den Platz verlassen hatte, und begann, mit seinem Vater zu üben.
Sein Tennisspiel hatte sich schon vor langer Zeit auf einem mittelmäßigen Level eingependelt, mit dem er ganz gut leben konnte.
Aber heute fühlte er sich fit. Ihm gefiel die Ausgewogenheit des Schlägers und die Art, wie der Ball von der Bespannung zurückfederte, aber der Gedanke, dass irgendwo hinter ihm eine Kakaopfütze auf dem Asphalt sauer wurde, störte seine Konzentration.
»Du behältst den Ball nicht ihm Auge!«, rief ihm sein Vater von der anderen Seite des Netzes zu, nachdem Jack seinen dritten Ball hintereinander verschossen hatte.
Ich weiß!
Eine Tennisstunde war wirklich das Letzte, was er jetzt brauchte. Er konzentrierte sich voll auf den nächsten Ball, rannte rückwärts und ließ ihn nicht aus den Augen,
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