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Widersacher-Zyklus 02 - Die Gruft

Widersacher-Zyklus 02 - Die Gruft

Titel: Widersacher-Zyklus 02 - Die Gruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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Nachrichtensendungen über Serienwiederholungen bis zu Aerobicprogrammen hatte er die freie Auswahl.
    Für solche Fälle waren Videos da. Es war Zeit für Teil zwei von Handyman Jacks inoffizieller James-Whale-Retrospektive. Wir kommen nun zu James Whales Meisterwerk: Frankensteins Braut.
     

16
     
    »Du glaubst, ich bin wahnsinnig. Vielleicht bin ich das auch. Aber hör mir zu, Henry Frankenstein. Während du in alten Gräbern gegraben und totes Fleisch zusammengesetzt hast, habe ich, mein teurer Schüler, mein Material bei der Quelle des Lebens selbst gesucht…«
    Ernest Thesinger als Dr. Pretorius – die beste Rolle seines Lebens – dozierte vor seinem ehemaligen Schüler. Der Film war erst zur Hälfte gelaufen, aber es wurde Zeit. Er würde vor dem Schlafengehen da weitermachen, wo er jetzt aufhören musste. Bedauerlich. Er liebte diesen Film. Vor allem die Musik – das beste, was Franz Waxman je komponiert hatte. Wer hätte gedacht, dass jemand, der ein so majestätisches, bewegendes Werk geschaffen hat, später in seiner Laufbahn die musikalische Untermalung für Rohrkrepierer wie Rückkehr nach Peyton Place liefern würde? Manchen Menschen war die Anerkennung, die sie verdienten, einfach nicht vergönnt.
    Er streifte sich ein T-Shirt mit einem Byrds-Schriftzug über, dann kam das Schulterholster mit der kleinen Semmerling unter dem linken Arm; darüber ein weites kurzärmeliges Hemd und eine kurze Jeans und Slipper – keine Socken. Als er dann alles in seinem kleinen Einkaufstrolley verstaut und zum Abmarsch bereit war, hatte sich die Dunkelheit über die Stadt gesenkt.
    Er lief zur Amsterdam Avenue, wo Bahktis Großmutter am Abend zuvor überfallen worden war, fand eine verlassene Seitenstraße und verschwand in den Schatten. Er hatte seine Wohnung nicht in Frauenkleidern verlassen wollen – seine Nachbarn fanden ihn auch so schon seltsam genug. Und hier konnte er sich ebenso gut umkleiden wie anderswo.
    Zuerst zog er das Hemd aus. Dann griff er in den Trolley und holte das Kleid heraus – gute Qualität, aber aus der Mode geraten und etwas zerknittert. Das zog er über das T-Shirt und das Schulterhalfter, dann streifte er sich eine Perücke mit grauen Haaren über und schlüpfte in schwarze absatzlose Schuhe. Er wollte nicht wie eine Stadtstreicherin aussehen; eine Obdachlose war für den Mann, hinter dem Jack her war, ohne Interesse. Er versuchte den Anschein verblichenen Glanzes zu erwecken. In New York sah man solche Frauen allerorten. Von Ende fünfzig bis über achtzig. Sie sind alle gleich. Sie gehen gebückt, nicht weil ihre Glieder die Spannkraft verlieren, sondern weil sie von der Last des Lebens niedergedrückt werden, weil ihr Schwerkraftzentrum sie nach vorn drückt. Meist gehen sie gesenkten Hauptes oder, wenn sie sich gerade halten, doch so, dass sie niemals jemandem in die Augen sehen müssen. Sie lassen sich mit einem Wort beschreiben: allein. Als Opfer sind sie unwiderstehlich.
    Und heute würde Jack eine von ihnen sein. Als zusätzlichen Anreiz streifte er sich noch einen ansehnlichen falschen Diamantring über den Ringfinger der linken Hand. Man durfte ihn zwar keiner genaueren Prüfung unterwerfen, aber er war sich sicher, so jemand wie der, den er suchte, würde den Glanz schon von Weitem bemerken. Und wenn das alles nichts half, hatte er noch etwas anderes in Reserve: eine dicke Rolle mit Geldscheinen, hauptsächlich Eindollarnoten, die er sich unter den Gurt des Schulterholsters geklemmt hatte.
    Jack legte seine Schuhe und den Totschläger in die Papiertüte in der oberen Ablage des Trolleys. Er musterte sich in einem Schaufenster: Eine Karriere als Transvestit sollte er sich besser aus dem Kopf schlagen. Dann begann er langsam über den Bürgersteig zu schlurfen.
    Es war Zeit, sich an die Arbeit zu machen.
     
    17
     
    Gia ertappte sich dabei, dass sie an Jack dachte, und sie hasste sich dafür. Ihr gegenüber saß Carl, ein gut aussehender, höflicher, gebildeter, witziger Mann, der offenkundig sehr von ihr angetan war. Sie waren in einem teuren Kellerrestaurant an der Upper East Side. Die Einrichtung war sparsam und nüchtern, der Wein weiß und kalt und die Küche angesagt. Nichts davon passte in irgendeiner Form zu Jack, und doch war er da, mitten auf dem Tisch zwischen ihnen.
    Sie erinnerte sich an seine Stimme auf dem Anrufbeantworter heute Morgen – »Pinocchio Productions, ich bin zurzeit nicht da« –, und das führte zu weite ren Erinnerungen an länger

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