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Widersacher-Zyklus 02 - Die Gruft

Widersacher-Zyklus 02 - Die Gruft

Titel: Widersacher-Zyklus 02 - Die Gruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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sich ein schwaches Lächeln zu erkennen.
    »Gewiss, Mr. Daniels. Ich werde dafür sorgen, dass der nächste, der sich um sie kümmert, über alle Gliedmaßen verfügt.«
    »Gut. Und jetzt verpiss dich, Blödmann.«
    »Wie Sie wünschen.«
    Ron kam zu dem Schluss, dass das Leben als Patient gar nicht so übel war. Er konnte herumkommandieren, und die Leute mussten still halten. Und warum auch nicht? Er war krank und …
    »Hilfe!«
    Könnte er doch nur auch Tommy zum Schweigen bringen.
    Das Zeug, das der Blödmann ihm gegeben hatte, schien nicht gegen die Schmerzen zu wirken. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als zu versuchen zu schlafen. Er dachte an diesen verdammten Bullen, der ihm heute Nacht die Hände zerschmettert hatte. Er hatte behauptet, das sei persönlich, aber Ron erkannte einen Bullen zehn Meilen gegen den Wind. Er würde dieses sadistische Schwein finden, und wenn er dazu monatelang vor jeder Polizeiwache in New York herumhängen musste. Und dann würde er ihm nach Hause folgen. Er würde sich nicht an dem Kerl selbst vergreifen – irgendwie hatte er ein schlechtes Gefühl bei diesem Typ, und er wollte nicht dabei sein, wenn der mal wirklich wütend wurde. Aber vielleicht hatte er ja eine Frau und Kinder …
    Ron lag fast eine Dreiviertelstunde im Halbschlaf da und malte sich aus, wie er es dem Bullen heimzahlen konnte. Er war gerade im Begriff, in einen tiefen, tiefen Schlummer zu versinken …
    »Hilfe!«
    Ron schreckte heftig im Bett auf, wobei sein rechter Arm aus der entlastenden Schlinge fiel und gegen das Seitengitter stieß. Ein brennender Schmerz schoss bis in seine Schulter hoch. Tränen traten ihm in die Augen und er atmete zischend durch die zusammengebissenen Zähne.
    Als der Schmerz wieder auf ein erträgliches Maß abgeklungen war, wusste er, was zu tun war.
    Dieser alte Sack, dieser Tommy, musste verschwinden.
    Ron zog auch den linken Arm aus der Schlinge und ließ sich über das Bettgitter gleiten. Der Fußboden war eiskalt. Er nahm das Kopfkissen zwischen seine Gipsverbände und tappte zu Tommys Bett hinüber. Er musste dem alten Knacker das Kissen nur auf den Kopf legen und sich darauf abstützen. Ein paar Minuten und aus … – kein Schnarchen mehr, kein Geschrei und kein Tommy.
    Als er am Fenster vorbeikam, sah er, dass sich draußen etwas bewegte. Er sah genauer hin. Ein Schatten, wie der Oberkörper von jemandem. Ein sehr großer Oberkörper.
    Aber das hier war der fünfte Stock.
    Das musste eine Einbildung sein. Das Zeug in dem Becher war wohl doch stärker, als er gedacht hatte. Er beugte sich zum Fenster, um ein besseres Blickfeld zu bekommen. Was er da sah, ließ ihn einen langen, schrecklichen Herzschlag lang erstarren. Ein Gesicht aus einem Albtraum, schlimmer als alle seine bisherigen Albträume zusammengenommen. Und diese leuchtenden gelben Augen …
    Ein Schrei regte sich in seiner Kehle, als er reflexartig zurücksprang. Aber bevor der Ton seine Lippen erreichen konnte, durchschlug eine klauenbewehrte dreifingrige Hand die Thermopanescheibe und schloss sich zielsicher um seine Kehle. Ron spürte einen unglaublichen Druck auf seiner Luftröhre, die mit einem lauten Knirschen geben die Halswirbel gepresst wurde. Das rohe Fleisch der Hand an seiner Kehle war kühl und feucht, fast schleimig und verströmte einen fauligen Gestank. Für einen Moment sah er glatte dunkle Haut, die sich über einem langen, muskulösen Arm spannte, der nach draußen durch das zerschmetterte Glas zu … ja, zu was führte? Er bog den Rücken durch und zerrte verzweifelt an den schraubstockartigen Fingern, aber sie waren wie ein Stahlhalsband um seinen Hals. Er kämpfte vergeblich um Luft, sein Gesichtsfeld trübte sich bereits. Und dann, mit einer geschmeidigen, fast beiläufigen Bewegung wurde er durch das Fenster gezerrt. Er spürte, wie der Rest der Scheibe nachgab und die Scherben entweder hinunterfielen oder sich brutal in sein Fleisch fraßen. Er erhaschte einen schockierenden vom Mond beleuchteten Blick auf seinen Angreifer, bevor seine Sehnerven gnädigerweise durch den Sauerstoffmangel in seinem Gehirn abgeschaltet wurden.
    Nach diesem letzten splitternden Krach war im Krankenzimmer wieder alles ruhig. Zwei der verbliebenen Patienten, tief in medikamenteninduzierten Träumen versunken, regten sich im Schlaf und drehten sich auf die andere Seite. Tommy, der am nächsten zum Fenster lag, rief »Hilfe!« und schnarchte dann weiter.

Kapitel 2
     
    Bharangpur, Westbengalen,

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