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Widersacher-Zyklus 02 - Die Gruft

Widersacher-Zyklus 02 - Die Gruft

Titel: Widersacher-Zyklus 02 - Die Gruft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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tat ihr Herz einen Sprung, als sie ihn sah – das ist nur, weil er ein Landsmann unter all diesen Ausländern ist – , und setzte dann aus. Denn an seinem Arm geleitete er eine der schönsten Frauen, die Gia je gesehen hatte.
     

9
     
    Vicky sollte eigentlich bereits schlafen. Es war weit über ihre Schlafensgehzeit hinaus. Sie hatte versucht einzuschlafen, aber es gelang ihr nicht. Es war zu heiß. Sie lag auf der Bettdecke, damit es kühler war. Hier oben im zweiten Stock funktionierte die Klimaanlage nicht so gut wie unten. Obwohl sie ihren rosa Lieblingsschlafanzug trug und ihre Puppen und ihren neuen Wuppet um sich hatte, konnte sie trotzdem nicht einschlafen. Eunice hatte alles versucht: Sie hatte ihr eine Orange geschält –Vicky konnte von Orangen einfach nicht genug bekommen – und hatte ihr eine Geschichte vorgelesen. Nichts funktionierte. Schließlich hatte Vicky so getan, als sei sie eingeschlafen, damit Eunice sich besser fühlte.
    Wenn sie nicht schlafen konnte, lag das meistens daran, dass sie sich Sorgen um Mommy machte. Manchmal, wenn Mommy abends ausging, hatte sie ein unangenehmes Gefühl. Sie glaubte dann, dass sie nie wiederkommen würde, dass sie in ein Erdbeben oder einen Tornado oder einen Autounfall geraten sei. In solchen Nächten betete sie und versprach, immer ein gutes Mädchen zu sein, wenn Mommy nur sicher nach Hause kam. Bisher hatte das immer geholfen.
    Aber heute machte sich Vicky keine Sorgen. Mommy war mit Tante Nellie unterwegs und die würde auf sie aufpassen. Es waren nicht die Sorgen, die sie wachhielten.
    Es waren die Pralinen.
    Sie musste immerzu an die Pralinen denken. Sie hatte noch nie so eine Verpackung gesehen – schwarz mit einer goldenen Einfassung und einer großen roten Rose auf dem Deckel. Und sie waren den weiten Weg von England gekommen. Und dann der Name: Black Magic! Allein der Name hielt sie schon wach.
    Sie musste sie sehen. So einfach war das. Sie musste nach unten gehen und einen Blick in die Schachtel werfen und die »Dunkle Mischung« sehen, die auf dem Deckel angekündigt war.
    Sie klemmte sich Mrs. Jelliroll unter den Arm, krabbelte aus dem Bett und tapste auf die Treppe zu. Geräuschlos kam sie im ersten Stock an und dann im Erdgeschoss. Die Fliesen in der Eingangshalle waren kühl unter ihren Füßen. Aus der Bibliothek drangen Stimmen, Musik und flackerndes Licht herüber. Eunice sah fern. Auf Zehenspitzen schlich Vicky zum Eingang hinüber. Sie hatte gesehen, wie Nellie die Schachtel dort abgelegt hatte.
    Sie lag auf einer Kommode. Die Zellophanverpackung war aufgerissen. Vicky setzte Mrs. Jelliroll auf die kleine Couch, dann setzte sie sich daneben und zog die Pralinenschachtel auf ihren Schoß. Sie begann den Deckel zu öffnen, hielt dann aber inne.
    Mommy würde der Schlag treffen, wenn sie jetzt hereinkäme und sie hier fände. Es war schlimm genug, dass sie nicht im Bett war, aber dann noch mit Tante Nellies Pralinen.
    Aber Vicky fühlte sich nicht schuldig. Eigentlich sollte die Schachtel ihr gehören, auch wenn sie allergisch gegen Schokolade war. Schließlich kam sie von ihrem Vater. Als Mommy heute in ihrer Wohnung gewesen war, hatte sie gehofft, dort würde ein Päckchen nur für sie warten. Aber nein, nichts von Daddy.
    Vicky strich mit dem Finger über die Rose auf dem Deckel. Schön. Warum konnte das nicht ihre sein? Vielleicht durfte sie die Schachtel behalten, wenn Tante Nellie die Pralinen gegessen hatte.
    Wie viele wohl noch da sind?
    Sie hob den Deckel. Der kräftige Kakaogeruch stieg ihr in die Nase, zusammen mit den schwächeren Gerüchen der vielen verschiedenen Fällungen. Und noch ein Geruch, der unter den anderen versteckt war, ein Geruch, den sie nicht sicher ausmachen konnte. Aber das spielte keine Rolle. Der Kakaoduft überlagerte alles andere. Speichel sammelte sich in ihrem Mund. Sie wollte eine. Sie wollte nur einmal abbeißen.
    Sie hielt die Schachtel schräg, um den Inhalt in dem schwachen Licht besser sehen zu können. Keine leeren Fächer! Es fehlte keine der Pralinen! Bei diesem Tempo musste sie ewig warten, bis sie die leere Schachtel haben konnte. Aber die war jetzt auch gar nicht mehr so wichtig. Sie wollte die Pralinen.
    Sie nahm eine aus der Mitte und überlegte, womit sie wohl gefüllt war. Im ersten Moment war sie kühl, aber nach wenigen Sekunden wurde der Überzug weich. Jack hatte ihr beigebracht, wie man mit dem Daumen ein Loch in den Boden bohrte, um zu sehen, welche Farbe die Füllung hatte. Aber

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