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Wie der Soldat das Grammofon repariert

Wie der Soldat das Grammofon repariert

Titel: Wie der Soldat das Grammofon repariert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sasa Stanisic
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ist gut, vier Krsmanovićs an einem Ort, sagt Ur-Opa und richtet die Augen gen Himmel. Weißt du eigentlich, mit wem du dich anlegst, Regen, du Esel?
    Der Regen weiß es nicht, kommt in Wellen über uns, und als Oma sagt: wie viel Glück mein Mann verdient hat, und ich sage: wie viele Geschichten mein Opa gegeben hat, und Ur-Opa fragt, wie viel Schnaps noch da sei, und Miki Opa mit feuchtem Brot füttert und sagt: es gibt nichts, worauf wir gemeinsam stolz sein würden, Vater, und an nichts sind wir zusammen schuld, als wir das alles sagen, kann niemand mehr wissen, wer gerade wie heftig weint. Ich weiß auch nicht, wann Ur-Oma zu uns getreten ist, ich sehe nur, dass sie vor dem Grabstein auf die Knie geht und Opas Foto küsst, jedes Auge einmal.
    Mein Kind, mein Kind, hätte ich tausend geboren, wäre mir kein Herz so gelungen wie dein Herz. Ur-Oma küsst das feuchte Grab, dann mit Erde am Mund ihren Mann, der im Regen länger und länger wird. Sie kann nur seine Schulter küssen, von den Zehenspitzen aus. Mit ihrem hölzernen Kamm kämmt sie sein nasses Haar, immer wieder sticht sie in die vom Wind verknoteten Strähnen.
     
    Ich esse und trinke und esse und trinke und esse, der Regen läuft mir den Nacken herunter, Opas Zigarette ist aufgeraucht. Ur-Oma reicht mir Zauberstab und Hut. Der Hut passt mir noch, der Stab ist, wie die ganze Welt, kleiner als in meiner
Erinnerung. Miki grinst mich an, ich trete zu ihm, unsere Brustkörbe berühren sich, ich sehe die Poren in seinen Wangen, ich nehme den Hut ab und will ihn Miki aufsetzen, er schlägt meine Hand weg, jemand schubst jemanden, der Hut und der Stab landen im Matsch. Es donnert über und hinter mir und links und rechts gleichzeitig, gibst du mal Ruh!, singt Ur-Opa und schüttelt die Faust in die Wolken. Ur-Oma zieht ihre Augenklappe auf, Miki löst seine Krawatte.
     
    Opa, nicht alle deine Geschichten habe ich behalten, aber einige eigene habe ich aufgeschrieben und werde sie dir vorlesen, sobald der Regen aufhört. Die Idee habe ich von Nena Fatima, die Stimme von Opa Rafik, das Buch, aus dem ich lese, von Oma, die Adern an den Unterarmen von deinem Sohn, der jetzt Kokosnüsse malt, die Schwermut von meiner Mutter. Mir fehlt alles, um meine Geschichte als einer von uns zu erzählen: Drinas Mut fehlt mir, die Stimme des Falken, das felsenharte Rückgrat unserer Berge, Walross’ Unbeirrbarkeit und der Enthusiasmus des ehrlich Vermissenden. Aber auch Armin, der Stationsvorsteher, fehlt mir, Čika Hasan und Čika Sead im ewigen Streit, Kikos Bein, Edin, der vergisst, dass er gerade einen Wolf nachahmt und vor der eigenen Stimme erschrickt, die »Mündung« fehlt, unser Garten, man hat ihn betoniert, die Karfiol, die Namen der Bäume, der Magen für den Schnaps, die Fußballtore im Schulhof. Du fehlst. Und die Wahrheiten, sie fehlen mir am meisten, solche Wahrheiten, in denen wir nicht mehr Zuhörer oder Erzähler sind, sondern Zugeber und Vergeber. Unser Versprechen, immer weiterzuerzählen, breche ich jetzt.
    Eine gute Geschichte, hättest du gesagt, ist wie unsere Drina: nie stilles Rinnsal, sie sickert nicht, sie ist ungestüm und breit, Zuflüsse kommen hinzu, reichern sie an, sie tritt über die Ufer, brodelt und braust, wird hier und da seichter, dann sind das aber Stromschnellen, Ouvertüren zur Tiefe und kein Plätschern. Aber eines können weder die Drina noch die Geschichten: für beide gibt es kein Zurück. Das Wasser kann
nicht umkehren und ein anderes Bett wählen, so wie kein Versprechen jetzt doch gehalten wird. Kein Ertrunkener taucht auf und fragt nach einem Handtuch, keine Liebe findet sich doch, kein Trafikant wird gar nicht erst geboren, keine Kugel schießt aus einem Hals zurück ins Gewehr, der Staudamm hält oder hält nicht. Die Drina hat kein Delta.
    Und weil man nichts rückgängig machen kann, hättest du dich und uns ausgedacht, wie wir auf dir sitzen und essen, Bilder für den Regen hättest du dir ausgedacht, und Oma, wie sie dir eine zweite Zigarette in deinen Mund aus Erde steckt, dann Ur-Oma, die mich zum Duell herausfordert, mal sehen, ob du mir nach zehn Jahren im wilden Westen endlich das Wasser reichen kannst.
     
    Der Regen ist schwer und kalt. Nass bis auf die Haut schleppen wir das Geschirr und das aufgeweichte Brot zum Haus zurück. Mir ist schwindlig, es gibt keinen Himmel mehr. Ur-Opa kann den Wind nicht länger festhalten, der entwischt, wird stärker, im Hof kullert einer der Steine vom Tisch, das Laken löst sich

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