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Wie der Soldat das Grammofon repariert

Wie der Soldat das Grammofon repariert

Titel: Wie der Soldat das Grammofon repariert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sasa Stanisic
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nicht hier, weil ihr Sohn zu ihnen kommt, nach Veletovo, weil er in dem Dorf begraben werden soll, wo er geboren wurde. Was das miteinander zu tun hat, weiß ich nicht. Man müsste dort tot sein dürfen, wo man viel und gern am Leben war. Mein Vater unter unserem Keller, den er »das Atelier« nennt, und kaum je verlässt, unter seinen Leinwänden und seinen Pinseln. Oma egal wo, Hauptsache, die Nachbarinnen sind auch da und es gibt Kaffee und Pralinen. Ur-Oma und Ur-Opa unter ihrem Pflaumengarten in Veletovo. Wo war meine Mutter viel und gerne?
    Opa Slavko in den besten Geschichten oder unter dem Parteibüro.
    Noch zwei Tage halte ich es vielleicht ohne ihn aus, bis dahin werden meine Zauberutensilien schon noch auftauchen.
    Ich freue mich darauf, Ur-Opa und Ur-Oma wieder zu sehen. Sie haben, seit ich darauf achte, nie süß gerochen und sind im Durchschnitt circa hundertfünfzig Jahre alt. Trotzdem sind sie am wenigsten gestorben und am meisten am
Leben von allen in der Familie, ausgenommen Tante Taifun, aber sie gilt nicht, denn sie läuft nicht unter Menschen, sondern unter Naturkatastrophen und hat einen Propeller im Hintern. Sagt Onkel Bora manchmal und küsst den Rücken seiner Naturkatastrophe.
    Onkel Bora wiegt so viel, wie meine Urgroßeltern alt sind.
     
    Auch noch nicht gestorben in meiner Familie ist Oma Katarina, obwohl sie am Abend, an dem Opas großes Herz die schnellste Krankheit der Welt bekam, gewünscht und geklagt hatte: allein, was soll ich ohne dich, allein will ich nicht, Slavko, mein Slavko, wehe mir!
    Mehr noch als vor Opas Tod fürchtete ich mich vor dieser großen, auf Knien rutschenden Trauer meiner Oma, allein, wie lebe ich jetzt allein! Oma schlug sich gegen die Brust und flehte darum, Opa zu toten Füßen, selbst nicht mehr am Leben zu sein. Ich atmete nur noch schnell, aber nicht mehr leicht. Oma war so schwach, dass es mir vorkam, als würde ihr Körper auf dem Boden ganz weich werden, weich und rund. Im Fernsehen sprang eine große Frau in den Sand und freute sich darüber. Zu Opas Füßen schrie Oma die Nachbarn herbei, sie knöpften sein Hemd auf, Opas Brille verrutschte, sein Mund hing schief – ich schnitt, wie immer, wenn ich nicht weiterwusste, kleine Dinge aus, mehr Sterne für meinen Zauberhut. Trotz der Angst und so kurz nach einem Sterben sah ich, dass Omas Porzellanhund auf dem Fernseher umgefallen war und dass die Teller mit den Fischgräten vom Abendessen immer noch auf der gehäkelten Tischdecke standen. Ich hörte jedes Wort der herumwuselnden Nachbarn, verstand alles trotz Omas Wimmern und Jaulen. Die zerrte an Opas Beinen, Opa rutschte vom Sofa nach vorne. Ich versteckte mich in der Ecke hinter dem Fernseher. Aber auch hinter tausend Fernsehern hätte ich mich nicht verstecken können vor Omas verzerrtem Gesicht, nicht vor dem verdrehten, vom Sofa abfallenden Opa, nicht vor dem Gedanken, dass meine Großeltern nie hässlicher waren als jetzt.

    Ich hätte Oma gern die Hand auf den zitternden Rücken gelegt – ihre Bluse wäre nass vor Schweiß gewesen – und gesagt : Oma, nicht! Es wird alles gut! Opa ist doch in der Partei und die Partei befindet sich in Übereinstimmung mit den Statuten des Bundes der Kommunisten, ich finde bloß meinen Zauberstab gerade nicht. Es wird alles wieder gut, Oma.
    Doch ihr trauriger Wahnsinn machte mich stumm. Je lauter sie sich wand, lasst mich!, desto mutloser wurde ich in meinem Versteck. Je mehr Nachbarn sich von Opa ab- und der Oma zuwandten, die Untröstliche trösten wollten, als verkauften sie ihr etwas, das sie nicht im Geringsten brauchte, desto panischer wehrte sie sich. Je mehr Tränen ihre Wangen, ihren Mund, ihr Klagen, ihr Kinn bedeckten wie Öl eine Pfanne, desto mehr Details schnitt ich aus dem Wohnzimmer: das Bücherregal mit Marx, Lenin, Kardelj, links unten »Das Kapital«, der Fischgeruch, die Zweige auf der Tapete, vier Gobelins an der Wand – spielende Kinder auf einer Dorfstraße, bunte Blumen in einer bunten Blumenvase, Schiff auf unruhiger See, Häuschen am Wald –, ein Foto von Tito und Gandhi, die sich mittig über Schiff und Häuschen die Hand geben, der Satz: Wie kriegen wir sie von ihm los?
    Immer mehr Leute kamen hinzu, einer nahm dem anderen den Platz weg, als gelte es, etwas nachzuholen oder zumindest nichts mehr zu verpassen und in der Nähe zu einem Tod so lebendig wie möglich zu sein. Opas zu schneller Tod verärgerte die Nachbarn oder ließ sie schuldbewusst zu Boden sehen. Niemand hatte

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