Wie der Soldat das Grammofon repariert
und hebt ab. Ur-Oma bleibt stehen, nicht das gute, murmelt sie, nicht das gute. Ur-Opa fasst sich an den Rücken und lacht vor Schmerzen. Das Laken zieht durch den Regen, wie kann es so nass fliegen, frage ich mich, dabei ist es längst vor Ur-Omas Füßen gelandet, sie wickelt Miki hinein.
Mein Telefon klingelt. Ur-Opa beugt sich, als wolle er etwas aufheben, die Hand am Rücken, und ich gehe ran: Pfeifen und Rauschen und die Stimme einer Frau. Was?, rufe ich, nichts. Das Rauschen wird zu einem Regenguss an Stimmen, es ist, als lausche ich zwei Millionen Telefonaten auf einmal, ich kann keinem folgen, Rückkopplung, die Stimmen weg. Ur-Oma rollt Miki unter den Tisch, ich presse die andere Hand ans andere Ohr und stelle mich auf die Veranda, das Dach über meinem Kopf kappt plötzlich alle Geräusche im Telefon. Ich trete zurück in den Regen, Knacken, laufe über den Hof, rutsche die Böschung hinab, die Frauenstimme. Asija?, rufe ich erst leise, dann lauter: Asija? Verrauscht
kommt die Antwort, ist es überhaupt eine Antwort: Aleksandar. Wer ist da?, frage ich und meine Stimme pfeift, wer ist da?, als Echo zurück, ich muss mich setzen, ich habe unglaublich viel gegessen und getrunken und das zweimal, ich kann jetzt nicht mehr, ich lasse mich jetzt fallen, ich liege jetzt da, inmitten der summenden Süße eines Regens an Stimmen, wo?, heult es zweimillionenfach, mir ist übel, ich kann nicht mehr, über mir, einen, vielleicht zwei Meter über mir – die Wolken. Der Regen füllt mir den Mund, Stimmen wie Fliegen im Ohr. Ja, sage ich, ich bin jetzt hier. Aleksandar?, sagt die Frauenstimme, und es ist ein Fluss, in dem ich liege, meine eigene Regen-Drina habe ich bekommen, und ich sage: ich bin ja hier.
Dank an Katharina Adler, Martina Bachler, Nadja Küchenmeister, Benjamin Lauterbach, Michael Lentz, Thomas Pletzinger, Ilma Rakusa, Simon Roloff und Leipzig für die Unterstützung.
Dank an Goran Bogdanović, Hamdo Oprašić, Kristina und Petar Stanišić, Mejrema und Hamed Hećimović und Višegrad für die Geschichten.
Ohne sie wären Aleksandars Augen und Ohren nie so groß geworden.
Dank an das Künstlerhaus Lukas in Ahrenshoop für die Ruhe, den Schutzraum und die Dünen.
Dank an das Kulturreferat der Landeshauptstadt München und die Villa Waldberta für das Vertrauen, den Sport und den Starnberger See.
»Wie der Soldat das Grammofon repariert« wurde im Rahmen des Grenzgänger-Programms von der Robert Bosch Stiftung gefördert.
© 2006 Luchterhand Literaturverlag, München in der Verlagsgruppe Random House GmbH Satz: Greiner & Reichel, Köln
eISBN 9783641015435
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