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Wie Die Iren Die Zivilisation Retteten

Wie Die Iren Die Zivilisation Retteten

Titel: Wie Die Iren Die Zivilisation Retteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Cahill
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Beschreibung von Cuchulainns Streitwagen:

    Als der Anfall des großen Helden Cuchulainn vorbei war, bestieg er seinen Streitwagen, der mit Eisenspitzen und Schwertern bestückt
    war, mit Haken und harten Zinken und Spitzen, vorn mit Schlitzin-
    strumenten und Reißnägeln an den Deichseln und Riemen und Ha-
    ken und Kordeln. Der Wagen war geräumig und schlank und auf-
    recht, wie gemacht für den Kampf eines Helden, mit genügend
    Platz für die acht Waffen des edlen Kriegers, schnell wie der Wind oder eine Schwalbe oder ein Reh, das über die Ebene läuft. Der
    Streitwagen wurde von zwei schnellen Pferden gezogen, wild und
    böse, mit feinem Kopf und gedrungenem Körper, mit schlankem
    Hinterteil, rötlicher Brust und festen Hufen – sie waren in ihrem gepflegten Geschirr ein denkwürdiger Anblick. Ein Pferd war geschmeidig und federnd, hatte einen geschwungenen, kräftigen Leib
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    und große Hufe. Das andere, mit flatternder Mähne und glänzen-
    dem Fell, war leicht und schlank in Hufen und Beinen. So fuhr er
    aus, um seinen Feinden zu begegnen.

    Wie hätten diese Leute das Batmobil geliebt! Doch solange sie sich von der äußeren Erscheinung hypnotisieren lassen, können sie nicht rechnen. Die Zahl der Toten – und der Lebenden – ist immens aufge-blasen: Eine echte Zählung wird gar nicht beabsichtigt. Diese Berichte ähneln den Beschreibungen von jahrhundertealten Patriarchen in der Schöpfungsgeschichte. Der Erzähler will einfach nur sagen, daß die Zahl der Toten erstaunlich hoch war – oder daß Methusalem eine sehr lange Zeit gelebt hat.
    In den ersten Jahrhunderten unseres Zeitalters waren die Siedlun-
    gen sehr viel kleiner als heute. Die Bevölkerung einer großen Stadt oder eines kleinen Landes konnte in tausend gezähltwerden, und zwischen den Ansiedlungen erstreckte sich unbevölkerte Wildnis, die niemandem gehörte und Gefahren für Reisende barg, aber auch
    Unterschlupf für die Besitzlosen. Als Medb und Ailil ihre Schweine und Rinder zählen wollen, werden diese aus den »Wäldern und
    Einöden« geholt – aus dem Niemandsland, den Zwischenräumen.
    Keine Figur im Tain wird so genau beschrieben wie Medb. Sie ist so voller Leben und Farbe, daß selbst Cuchulainn blaß wirkt neben ihr.
    Als Fingin der Heiler zu dem schwer verwundeten Cethern kommt,
    deutet er auf Cetherns größte Wunde und sagt: »Diese Wunde schlug dir eine eifersüchtige, hochmütige Frau. «
    »Ich glaube, du hast recht«, antwortet Cethern. »Eine große, blonde Frau mit langem Gesicht und sanften Zügen kam zu mir. Sie hatte
    gelbes Haar und zwei goldene Vögel auf ihren Schultern. Sie trug
    einen purpurnen Umhang mit fünf Handbreit Gold auf dem Rücken.
    Sie hielt eine leichte, stechend scharfe Lanze in der Hand und hob ein Eisenschwert mit Frauengriff über den Kopf – es war eine riesenhafte Erscheinung.« Die »riesenhafte Erscheinung« von Medb beherrscht
    den Tain wie keine Frau eins der uns bekannten Epen. In der Ilias hat Helena einen Miniaturauftritt; in der Aeneis ist Dido eine interessante Nebenfigur. Die einzigen Frauen in der klassischen Literatur, die das 79
    Geschehen vorantreiben, finden sich im griechischen Drama: Klytäm-nestra, Antigone, Medea. (Zuweilen ähnelt der Tain eher dem Drama als dem homerischen Epos: Er enthält viele Dialoge und wenig Dichtung – Dichtung kommt nur gelegentlich vor, meist in Form archai-
    scher Beschwörungsformeln, die den Chören in griechischen Dramen
    ähneln.) Das griechische Drama des fünften Jahrhunderts v. Chr.
    entstand aus den jahreszeitlichen Liturgien einer agrarischen Kultur und thematisiert die Konflikte ihres sozialen Lebens – deshalb sind bewundernswerte weibliche Figuren eine Notwendigkeit. Im heroischen Zeitalter jedoch – also drei- oder vierhundert Jahre vor den Dramatikern, zu Beginn der Entwicklung Griechenlands, die der im
    Tain sehr ähnlich ist – kann man sich keine Frau vorstellen, die vor Troja kämpft oder mit Odysseus über die Meere fährt. Ebenso undenkbar wäre eine Frau als Begleiterin des Aeneas. Am Ende des Tain formuliert der allwissende Fergus die scheinbare Moral: »Wir folgten dem Hinterteil einer Frau, die uns in die Irre führte. So ist es immer: eine Herde, die von einer Stute geführt wird, wird zerstreut und
    zerstört.« Medb taucht nach diesem Urteil nicht mehr auf, doch selbst dieses »letzte Wort« scheint von ihrer Persönlichkeit überschattet zu sein.
    Sie ist keine Ausnahme in dieser Literatur. Cuchulainn wird

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