Wie, du stillst nicht
jede Frau jedoch etwas anderes, weil alle Menschen einen ganz persönlichen und individuellen Hintergrund haben, der sie in ihrem Denken, Fühlen und Handeln beeinflusst. Und Stillen kann nur das Beste für Ihr Kind sein, wenn Sie sich dabei wohlfühlen. So wie auch das Nichtstillen nur richtig sein kann, wenn es sich für Sie selbst gut anfühlt. Jeder Stress überträgt sich unmittelbar auf Ihr Kind.
Frauen bemühen sich aufrichtig, den richtigen Weg zu finden, dem Baby gerecht zu werden, aber auch den sozialen Anforderungen und sich selbst zu entsprechen. Das ist manches Mal eine Gratwanderung. Es ist diese massive moralische und emotionale Aufladung des elterlichen Verantwortungsbegriffs, die es uns schwer macht, das Klischee von den Rabenmüttern mit einem Schulterzucken abzutun.
Viele Frauen, die nicht stillen, haben bewusst oder unbewusst mit dem kleinen inneren Stimmchen und den lauten Stimmen, die von außen an sie herangetragen werden, zu kämpfen, Stimmen, die ihnen einreden wollen, keine gute Mutter zu sein. Sätze wie »Wie, du stillst nicht? Heutzutage weiß doch schließlich jeder, wie gesund Stillen ist«, begleiten sie. So fühlt sich die Flaschenmama schnell als »schlechte« Mutter. Das Adjektiv passt jedoch so gar nicht zum Thema, denn es geht hier nicht um das Qualitätssiegel »gut« oder »schlecht«. Eine gute Mutter zu sein hängt nicht vom Stillen ab! Es geht vor allem um die Qualität der Mutter-Kind-Bindung. Stillen garantiert gesunde Nahrung und fördert die Mutter-Kind-Bindung ganz automatisch und nebenbei. Aber das heißt nicht, dass eine Frau, die nicht stillt, sondern die Flasche gibt, nicht eine ebenso gute und sichere Bindung zu ihrem Kind aufbauen kann.
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Appell an die Müttersolidarität
Die immer wieder aufkommenden Rivalitäten zwischen Still- und Flaschenmüttern sind also völlig überflüssig. Wir machen uns damit einzig und allein das Leben schwer. Die nicht stillende Mutter ist keine »Rabenmutter«, ebenso wie die stillende Mutter keine »Übermutter« ist, die ihr Kind ganz bewusst durch die Brust abhängig machen möchte. Sowohl Stillmütter als auch Flaschenmütter haben nur das Wohl ihres Kindes im Auge und nehmen dafür jede Menge Mühen in Kauf. Letztere müssen regelmäßig die Flaschen und Sauger sauber halten, tief in die Tasche greifen, um Säuglingsmilch zu kaufen, nachts aufstehen, um die Nahrung zuzubereiten. Bevor sie mit ihrem Kind außer Haus gehen können, müssen sie jede Menge Utensilien zusammenpacken. Aber auch die Stillmütter haben ihr Päckchen zu tragen, denn sie können in der ersten Zeit nur selten ohne Kind vor die Tür, weil es durch das Stillen an sie gebunden ist. Viele Frauen lassen sich auch durch wunde Brustwarzen und Brustentzündungen nicht so schnell vom Stillen abbringen und werden nicht selten als »fanatisch« abgestempelt. Auch wer sein Kind in der Öffentlichkeit stillt oder über die Babyzeit hinaus die Brust gibt, wird mitunter schräg angesehen oder sogar diskriminiert. Wozu das alles? Das verunsichert Frauen nur noch mehr. Wie man es dreht und wendet, beide - ob stillend oder nicht stillend - haben es nicht immer leicht. Deshalb appelliere ich an die Müttersolidarität: »Lassen wir jede so leben, wie sie es für richtig hält.« Wichtig ist die gute vorgeburtliche Information, damit jede Frau mit leichtem Herzen sagen kann: »Es ist genau so, wie ich es mir gewünscht habe!«
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Wo bleiben eigentlich die Nichtstill-Gruppen?
Es gibt seit vielen Jahren Stillgruppen, die von Hebammen, Stillberaterinnen der La Leche Liga (LLL), der Arbeitsgemeinschaft Freier Stillgruppen (AFS) oder Still- und Laktationsberaterinnen IBCLC (International Board of Certified Lactation Consultants) geleitet werden. Dort treffen sich Frauen, die nach der Entbindung gerne stillen wollen oder bereits stillen. Sie tauschen sich untereinander aus und können sich mit etwaigen Problemen an die Gruppenleiterin wenden. Gruppen für nicht stillende Frauen existieren, soweit mir bekannt ist, noch nicht. Das ist schade, denn auch Frauen, die ihre Kinder mit der Flasche ernähren, haben ihre Sorgen und bräuchten Unterstützung von einer Fachperson, die nicht von den Flaschenfirmen gesponsert wird. So könnte es z. B. »Brust-Still-Gruppen« und »Flaschen-Still-Gruppen« geben, im Sinne von »Bedürfnisse stillen«. Gruppen, wie Müttercafés, wo alle Mütter und Väter
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