Wie ein Hauch von Zauberblüten
sogar nach Windhoek telefoniert, ob man wisse, wie die Dame aussehe. Ihre Informanten wußten es nicht. Man hatte nur gehört, es solle sich um eine ›Coloured‹ handeln, also um einen Mischling. Das war besonders gefährlich, denn Coloured-Mädchen gehören zu den schönsten, die es auf Erden gibt.
»Dann notiere: Am 25. für vier Tage Kalkfeld.«
»Mit Marcus?«
»Natürlich!«
Nkulele war zufrieden. Wenn Marcus mitfuhr, war sie vier Tage mit der Neuen allein. In vier Tagen kann man einander gut abtasten und die Fehler und Schwächen der anderen erkennen. Frauen sind da wie Boxer, nur noch zäher, unerbittlicher und klüger. Sie wissen genau, wie der Gegner reagieren wird, weil sie selbst in der gleichen Situation genau so reagieren würden.
Eine Coloured für den Doktor … Nkulele rückte die Brille zurecht. Etwas wie Vorbereitung zum Kampf lag in dieser Bewegung. Das Visier wurde heruntergelassen. Der untergründige Kampf zweier Frauen kann gnadenlos sein.
Während im Nebenraum der kleine Herero medizinisch versorgt wurde, Marcus ihm verschiedene Gewebeproben entnahm, die Augen auswusch und spülte, mit Chloramphenicol-Tropfen behandelte und der Mutter erklärte, daß sie mit dem Jungen zwei oder drei Tage in einem Anbau wohnen müsse, betrat durch den Privateingang ein Mann die Baracke, riß die Tür zum Ambulanzraum auf und zeigte mit ausgestrecktem Arm lachend auf Nkulele, die, als er so hereinplatzte, aufgesprungen war, als sei eine grüne Mamba durchs Fenster geschleudert worden.
»Sie möchte mich am liebsten fressen!« rief der Mann und stemmte die Arme in die Seite. »Sehen Sie sich das an! Das schwarze Kätzchen zittert, als hinge ein Kater auf ihr! Guten Tag, Doktor. Viel zu tun?«
Dr. Oppermann, der gerade die nächste Handwaschung beendet hatte und sich abtrocknete, wandte sich nicht um. Er trat ans Fenster, drehte dem Mann den Rücken zu und blickte hinaus auf den kleinen Garten, den Urulele angelegt hatte. Da der Boden viel begossen wurde, wuchsen hier Tomaten und Salat, Kürbisse und Gurken, Buschbohnen und sogar Kohlrabi. Um dieses winzige Paradies hatte Urulele einen hohen Drahtzaun gespannt und darüber ein Netz festgezurrt. Seitdem saßen die Vögel, meistens Schildraben und Blutschnabelweber, pfeifend, schnatternd und krächzend auf den Holz-Stangen, starrten sehnsüchtig auf das unerreichbare Grün und begrüßten Urulele, wenn er den Garten betrat, mit einem wilden Protestkonzert.
»Ich habe Ihnen schon mehrmals gesagt, Johann«, stellte Dr. Oppermann ruhig fest, »daß Sie nicht so einfach in die Ordination hineinplatzen sollen! Auch wenn es schwer ist, versuche ich, ein Mindestmaß an Sterilität aufrecht zu halten. Hier ist ein Untersuchungszimmer und kein Warenlager.«
Johann Prusius lachte. Er war ein mittelgroßer, stämmiger Mann mit einem runden Kopf und militärisch kurz geschnittenen, bereits ergrauten Haaren. Im vergangenen Jahr hatte er seien fünfzigsten Geburtstag gefeiert. Es war ein Fest geworden, von dem man noch heute in Otjivarongo sprach. Mit Prusius mußte man sich gut stellen. Er beherrschte einen großen Teil der Hinterlandversorgung; die weit auseinanderliegenden Farmen waren auf ihn angewiesen. Sie standen über Funk mit Prusius' Zentrale in Verbindung, und die Farmer bestellten von ihm alles, was man zum Weiter- und Überleben brauchte. Ob es ein Kühlschrank war oder eine Waschmaschine, eine Motorsäge oder Ersatzteile für den Landrover, eine simple Wäscheleine oder Schreibpapier, Konserven aller Art oder Werkzeuge, Autoreifen oder Kanister, eine Sitzgarnitur für das Wohnzimmer oder eine neue Klobrille: Johann Prusius lieferte alles. Schnell, korrekt, zu einem ehrlichen Preis. Er war ein Mann, der Wort hielt – etwas, das in Südwest ebenfalls zum Überleben gehörte. Wenn Prusius sagte: »Ich bringe übermorgen den neuen Anlasser«, dann konnte man sechshundert Kilometer von Otjivarongo entfernt im einsamen Tsumkwe in Kungveld, am Rande der endlosen Kalahari-Steppe, sicher sein, daß Prusius' zweimotorige Cessna pünktlich am Himmel auftauchte, einen Begrüßungskreis über die Farm flog und kurz darauf, eine riesige Staubwolke aufwirbelnd, auf einem nahen Feld landete.
Johann Prusius gehörte zur vierten Generation, die in Südwest lebte. Dieses Land war sein Land, die Prusius hatten alle Entwicklungen mitgemacht, alle Eingeborenenkriege, alle Schlachten gegen Hereros und Hottentotten, gegen Namas und, 1914, gegen die Engländer. Sie hatten
Weitere Kostenlose Bücher