Wie ein Hauch von Zauberblüten
gegen die schon sagenhaften Häuptlinge Maharero und Hendrik Witbooi, Morenga und Simon Köper gekämpft, sie waren mit den Truppen des Hauptmanns von François und des Majors Leutwein marschiert und hatten den Gouverneur und Oberbefehlshaber General von Trotha ebenso beliefert wie den Gouverneur Dr. Göring. Sie hatten mitgebaut an der Kaiserstraße von Windhoek und am deutschen Soldatenfriedhof von Otjivarongo, hatten die Forts im Norden verteidigt und waren dabeigewesen, als man die flüchtenden Aufständischen in die wasserlose Kalahari getrieben hatte. Sie haben den Bau von Straßen und Eisenbahnen bewacht und im Laufe von über hundert Jahren ein Handelshaus aufgebaut, das, von Otjivarongo und Outjo aus, den ganzen Norden von Südwest mit Waren versorgte.
Johann Prusius, Vorsitzender des Heimatvereins, stellvertretender Kommandant der Schützenbruderschaft, Präsident des Turnvereins, Förderer von Gesang und Volkstanz, Stifter einer Orgelerweiterung und einer Glocke in der Buschkirche von Okamatambaka, sagte denn auch bei jeder Gelegenheit: »Wer behauptet, dieses Land gehöre den Schwarzen, der muß an die Wand gestellt werden! Verräter sind das, Verbrecher, Brandstifter, verkappte Mörder! Die UNO ist ein einziger Haufen von Verrätern! Hier in dieser Erde liegen mein Urgroßvater und meine Urgroßmutter – und seither alle Prusius. Bislang neununddreißig Gräber! Die letzte, die hier begraben wurde, war meine Frau Käthe – und auch ich und mein Sohn Volker werden hier begraben werden, in der Erde eines freien Südwest, eines weißen Südwest, eines Landes, das unsere Hände zum Blühen gebracht haben!«
Er bekam bei solchen Reden feuchte Augen und einen roten Kopf und war glücklich, wenn die anderen ihm mit sichtbarer Andacht zuhörten. Denn es war gefährlich, Johann Prusius zum Gegner oder gar zum Feind zu haben. Man hatte Erfahrung … Neusiedler aus der Bundesrepublik, die Prusius abfällig ›ein Zwittergebilde von Staat‹ nannte, hatten es gewagt, in seiner Gegenwart den neuen Namen Namibia auszusprechen. Ihnen ließ er durch einen schwarzen Boten ausrichten: Kauft euren Kram drüben in Angola bei den Kommunisten! Dann rief er zum Boykott auf – keiner getraute sich, die Isolation der Neusiedler zu durchbrechen.
Es dauerte nie länger als ein paar Monate, dann gaben die ›rotgesprenkelten deutschen Brüder‹, wie sie Prusius taufte, entnervt auf und zogen nach Süden, noch hinter Windhoek, in die Gegend von Keetmanshoop oder Karasburg, das Karakulschaf-Gebiet.
»Bei uns gilt noch der alte Spruch: Aufrecht und treu!« tönte Prusius bei den monatlichen Heimatabenden. »Zwei Worte, die man nie vergessen soll! Für die deutsche Regierung da drüben sind es Fremdwörter geworden! Aufrecht, wo man vor Moskau buckelt?! Treu, wo man uns, die Vorposten des Deutschtums, in die Pfanne haut?! Es soll mal einer von diesen Bonner Spinnern hierher zu mir nach Outjo kommen! Ich werde ihn acht Tage herumfahren, nur acht Tage, und wenn er noch ein Hirn und ein Herz hat, wird er am neunten Tag vor dem Reiterdenkmal in Windhoek einen großen Kranz niederlegen und eigenhändig die Fahne hochziehen! Aber es kommt ja keiner! Sie quatschen nur, sie glauben jeden Blödsinn und streuen noch mehr Blödsinn aus, verschenken Millionen an die roten Rebellen, damit sie uns totschießen und klatschen Beifall, wenn es heißt, Südwest muß befreit werden. Von wem befreit? Es gibt nur eine Befreiung für uns: Befreit werden von den Idioten aus Bonn! Für mich existieren diese Verräter nicht mehr, die vor lauter Arschkriecherei vergessen haben, daß wir hier auch Deutsche sind!«
Vor solchen markigen Worten versiegte jede Diskussion. Wo Johann Prusius auftrat, herrschte Einigkeit und Vaterlandstreue. Unhörbare Marschmusik bebte in allen Knochen. Man saß an gescheuerten Holztischen, den Bierseidel vor sich, an der Wand aufgespannt die alte kaiserliche deutsche Kriegsflagge, schwarz-weiß mit dem schwarzen Adler, die Augen blickten kriegerisch, und wenn Schlachttag war, und es gab Wellfleisch und eine Schüssel mit heißen Blut- und Leberwürsten westfälischer oder thüringischer Art, war allen Anwesenden feierlich, ja, andächtig zumute. An solchen Abenden wurde zuweilen auch das Deutschlandlied gesungen, die erste Strophe natürlich. Dann sprang Prusius auf, nahm stramme Haltung an, alle anderen folgten ihm, und man erlebte ergriffen, wie sich Prusius' Augen mit Tränen füllten und sein Gesicht heftig zuckte.
Ja,
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