Wie ein Hauch von Zauberblüten
Blumenstrauß für Luba. Ein ganzer Arm voll Proteen. Die Blume Südafrikas.
»Damit Sie die Heimat nicht vergessen«, sagte er bei der Überreichung. »Sie wissen ja, Luba, diese Blumen verwelken nie.«
Sie nickte, verbarg ihr Gesicht in den Proteen und weinte leise.
Gekommen waren auch Urulele und Nkulele. Ihr sah man jetzt die Schwangerschaft an; sie war so stolz auf diesen Zustand, daß sie ihren Bauch herauswölbte. Die Riesenbrille mit dem Straßbesatz funkelte in der Sonne, sie trug ein viel zu weites Kleid und hatte Uruleles linke Hand umklammert. Auch sie schluchzte immerfort, putzte sich die Nase und wischte die Tränen weg, was sehr beschwerlich war, denn die Brille nahm sie ja nicht ab.
Urulele polierte mit der freien rechten Hand unentwegt seine Glatze. Seine Augen waren in kindlicher Trauer erstarrt; immer wieder sah er Dr. Oppermann an, kaute auf seinen Lippen und seufzte wiederholt.
»Paß gut auf alles auf, Tomba«, sagte Dr. Oppermann, als das Gatter geöffnet wurde und die Passagiere hinüber zum Rollfeld gingen. »Und sei so fleißig wie bisher!«
»Ich warte auf Sie, Master Doktor«, stotterte Urulele.
»Und du, Franziska Maria, sei tapfer! Kinderkriegen tut weh, aber um so schöner ist es nachher. Viel Glück!«
Nkulele nickte und heulte. Der Chefarzt nahm Lubas Reisetasche vom Boden auf.
»Ihr müßt gehen!« sagte er. »Ihr seid die letzten. Guten Flug!«
Dr. Oppermann biß die Zähne zusammen. Er wandte sich plötzlich um, umarmte Urulele, der laut zu schluchzen begann, zog Nkulele an sich, küßte sie auf die funkelnde Brille und kümmerte sich einen Dreck um die entsetzten und erbosten Blicke der Weißen, die ihren Freunden oder Verwandten vom Gatter aus nachwinkten. Luba ging schon langsam voraus, den riesigen Proteen-Strauß vor ihrem Gesicht.
»Ein Stück von mir bleibt zurück«, sagte Dr. Oppermann und gab dem Chefarzt noch einmal die Hand. »Irgendwie stimmt es: Dieses Land hält einen fest.«
»Wenn Sie ein Stück hier lassen, dann sehen Sie zu, daß auch die anderen Stücke bald zurückkommen.« Der Chefarzt gab Dr. Oppermann einen Stoß in den Rücken. »Los, hauen Sie ab; es wird ja immer schwerer! Und kommen Sie wieder!«
»Vielleicht«, sagte Dr. Oppermann leise. »Vielleicht …«
Mit langen Schritten eilte er Luba nach, holte sie vor der Gangway ein und faßte sie unter.
Am Fenster der Flughalle stand ein alter, gebeugter Schwarzer, den niemand beachtet hatte. Er hatte mit einem breiten Besen den Unrat zusammengekehrt – Zigarettenstummel, Papierfetzen, Coladosen, leere Schachteln, Brotreste, was so alles abfällt in einer gesitteten Gesellschaft. Nun stand er, auf den Stiel des Besens gestützt, am Fenster und schaute hinaus auf das Flugfeld, auf die einsteigenden Passagiere, auf das silbern glitzernde Riesenflugzeug mit dem Springbock auf dem Leitwerk, auf den Mann und die Frau, die Arm in Arm als letzte zum Einstieg gingen.
Der alte Mann drückte die Stirn gegen die Scheibe, umklammerte den Besenstiel, als sei er seine einzige Stütze und begann leise und unbemerkt zu weinen. Der schmutzige Schlapphut verbarg sein Gesicht, von hinten sah er aus wie ein aufgehängtes altes Kleiderbündel. Der alte Mann weinte vor Glück; er streichelte mit seinen Blicken die junge Frau, die als letzte in das Flugzeug stieg, und hob zaghaft die Hand und winkte ihr nach, als die Gangway weggerollt wurde und die schwere Tür zuklappte.
Dann löste er sich von dem Fenster, auf dem ein nasser Fleck zurückblieb, kehrte wieder die Flughalle und schob mit dem breiten Besen den Unrat vor sich her durch das Gitter und vor das Haus. Dort blieb er stehen und schaute dem silbernen Riesenvogel nach, wie er sich donnernd in die Luft erhob und hinein in den Himmel stieß.
Der alte Mann winkte noch einmal mit ausgestrecktem Arm, stellte den Besen an die Hauswand und verließ die Halle.
Olutoni kehrte in die Einsamkeit des Velds zurück.
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