Wie es uns gefällt
habe ich es geräuchert. Warum hätte ich sonst mitten im Sommer ein Feuer machen sollen? Was glaubst du?»
«Nein, kein Wort mehr. Ich weigere mich, dir zu glauben.»
«Das Papier habe ich von Mr Askew in der Berners Street. Er hat mir Vorsatzblätter von alten Folio- und Quartbänden geschenkt. Er ist so betagt, dass er nicht den leisesten Verdacht hegt, wozu ich sie verwende.»
«Kein Wort davon ist wahr.»
«Alles ist wahr, Vater.»
«Du wagst es, mir ins Gesicht hinein zu sagen, dass du allein in solchem Umfang Dokumente erzeugt hast? Du – allein – ein Knabe? Einfach lächerlich. Und im höchsten Grade albern.»
«Es ist die Wahrheit.»
«Nein, mit Wahrheit hat das nichts zu tun. Das ist reine Phantasie. Du hast über dieser Sache den Verstand verloren. Du kannst nicht mehr zwischen wahr und falsch unterscheiden. Ich kenne dich, William.»
«Du kennst mich ganz und gar nicht.»
«Eines weiß ich jedenfalls: Du hättest nie und nimmer Shakespeares Schreibstil imitieren können. Dazu fehlt dir jede Voraussetzung.»
«Ich werde es jetzt auf der Stelle tun. Vater, ich werde dir zeigen, wie ich ihn imitiere. Komm mit.»
«Das werde ich nicht. Diese absurden Unwahrheiten werden niemanden überzeugen.»
«Ich werde dir Shakespeare-Verse dichten, deren Echtheit Mr Malone in jeder Hinsicht bestätigen wird.»
Plötzlich ertönte ein Geräusch. William drehte sich um. Jemand hatte die Ladentür zugemacht und rannte davon.
Mary Lamb hatte beschlossen, den Brief an William Ireland persönlich zu überbringen. Sie hatte Charles überredet, sein Bedauern und seine Überraschung über die Untersuchung der Shakespeare-Manuskripte auszudrücken und zu versichern, dass er nach wie vor von deren Echtheit überzeugt war.
«Hoffentlich erwarte ich damit nicht zu viel von dir», hatte sie gesagt. «Ich weiß, wie kostbar inzwischen deine Zeit ist.» Und doch hatte er die Sache so lange hinausgeschoben, bis sie ihm am letzten Sonntagvormittag Feder und Tinte in sein Zimmer gebracht hatte, als er noch im Bett lag.
«Jetzt ist es wirklich höchste Zeit», sagte sie. «Länger kann ich nicht warten. Ich kann William nicht leiden lassen.»
Charles musterte ihr abgespanntes, blasses Gesicht und fragte sich, ob sie jeden Moment zu weinen anfangen würde. «Schwesterherz, jetzt übertreibst du aber doch, oder?»
«Ganz im Gegenteil. Er schwebt in größter Gefahr.»
Weil er sie nicht noch mehr aufregen wollte, griff er zur Feder und schrieb einen kurzen, aufmunternden Brief. Sie riss ihn von dem Kissen, gegen das Charles sich lehnte, trug ihn triumphierend zur Tür hinaus und lief in ihr eigenes Zimmer, wo sie einen Umschlag mit «William Ireland, Esquire» adressierte. Anschließend hob sie den Brief hoch und küsste den Namen des Adressaten. Wenige Minuten später lief sie aus dem Haus und eilte zur Holborn Passage, wo sie in dem Moment die Tür der Buchhandlung erreichte, als William seinem Vater erklärte, er habe die Frau im Kaffeehaus erfunden. Einen Augenblick war ihr nicht klar, was er damit meinte, dann schlug sie die Hand vor den Mund, blieb stehen, sah sich vorsichtig um und schob die Tür noch ein Stück weiter auf.
William hatte sie angelogen. Er hatte sie betrogen. Plötzlich wurde ihr gewahr, dass sie an andere Dinge dachte: an die Spatzen, die von einer dunklen Ecke in die nächste flatterten; an Glasscherben auf dem Pflaster; an einen Leinenvorhang, der sich leicht im Wind blähte; an den bleischweren Himmel, der nach Regen aussah. Und dann fühlte sie sich mit einem Mal ungemein heiter. Nichts konnte sie berühren. Nichts konnte sie verletzen. «Ich habe mich wacker geschlagen», sagte sie zu sich, «jetzt werde ich aus dem Leben entlassen.»
Während sie schnellen Schritts weiterging – sie wusste nicht, wohin, und es war ihr auch egal – , überfiel sie plötzlich ein Gefühl abgrundtiefer Verlassenheit. Nie wieder würde jemand neben ihr gehen. Panik stieg in ihr auf. Sie musste sich setzen, um dagegen anzukämpfen, und sank auf eine Freitreppe, die zur Kirche St. Giles-in-the-Fields hinaufführte.
Als sie endlich aufstand und sich auf den Heimweg machte, lag durchdringender Pferdegeruch in der Luft.
William war aus dem Laden gekommen und hatte gesehen, wie Mary die Passage hinunterlief. Obwohl er sie sofort erkannt hatte, rief er ihr nicht hinterher, sondern kehrte um und ging wieder in den Laden.
Sein Vater stieg gerade langsam die Treppe hinauf. William sammelte alles
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