WIE GUT IST IHRE ALLGEMEINBILDUNG
Bereichen Naturwissenschaften und Kultur leichter gefallen zu sein. Bei mehreren dieser Fragen schneiden sie sogar besser ab als männliche Studierende. Mehr Frauen als Männer kennen die Heimatstadt der »Buddenbrooks«, den Titel des Bestsellers von Daniel Kehlmann und den Namen einer rachsüchtigen antiken Kindsmörderin. Den größten Vorsprung bei den Kulturfragen hatten die Studentinnen bei der Frage, wer seine Karriere nicht in der Kindersendung »Mickey Mouse Club« begonnen habe: Britney Spears,Beyoncé Knowles, Christina Aguilera oder Justin Timberlake? Die richtige Antwort gaben 92 Prozent der weiblichen und 83 Prozent der männlichen Studierenden. Einen solch guten Wert, über 90 Prozent, erreichten die Studentinnen bei keiner anderen Aufgabe, egal aus welchem Fachgebiet.
Ein durchaus doppeldeutiger Befund. Er beruhigt, weil er zeigt: Frauen wissen auf bestimmten Gebieten bes-ser Bescheid als Männer, sie wissen also nicht weniger, sondern nur anderes. Doch zugleich beunruhigt der Befund, weil Frauen bei staatsbürgerlichen Fragen deutlich schlechter abschneiden – und Sängerinnen wie Britney Spears oder Beyoncé Knowles, bei allem Respekt, dann eben doch nicht ganz so wichtig sind wie ein Bundespräsident. Wäre es wirklich hinzunehmen, wenn Frauen sich mit Pop auskennen und Männer mit Politik? »Das Ergebnis könnte auch damit zusammenhängen, dass vor allem Faktenwissen geprüft wurde und keine Verständnisfragen gestellt wurden«, sagt Wolfram Schulz, ein deutscher Wissenschaftler beim Australian Council for Educational Research. Bei solchen Faktenfragen, wie sie auch in Quiz-shows normalerweise verwendet werden, scheinen Männer im Vorteil zu sein. Schulz arbeitet an der Auswertung eines internationalen Vergleichs der politischen Bildung von Schülern. Die Forscher knüpfen an eine große Studie an, die vor rund einem Jahrzehnt erstellt wurde. »Bei den 14-Jährigen zeigten sich damals nur sehr geringe Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen, lediglich bei älteren Jugendlichen war die Differenz etwas größer«, sagt Schulz.
Nur: Solches Faktenwissen ist ja nicht immer wertlos. Selbst kritische Geister wie Ulrich Trautwein, der Professor aus Tübingen, sehen Faktenwissen keineswegs als veraltetes Konstrukt an, das keine Bedeutung mehr habe. »Vorwissen – und dazu zählt Faktenwissen – ist immer der beste Prädiktor für späteren Wissenserwerb«, sagt Trautwein. Das funktioniere nach dem »Matthäus-Prinzip«: Wer hat, dem wird gegeben. Auch andere Kompetenzen bedürften eines gewissen Wissensstands: »Natürlich ist Kritikfähigkeit wichtig, aber man kann sie nur lernen, wenn man ein wenig Ahnung hat von Strukturen und Systemen«, sagt der Professor. »Ohne Wissen ist Kritik nur ärgerlich und dumm.«
Daran hat sich auch in Zeiten von Google und Wikipedia wenig geändert. Selbstverständlich lässt sich heute vie-les schnell per Mausklick finden. Das Internet hat, wie keine andere Erfindung der letzten Jahrzehnte, unser Verständnis von Wissen beeinflusst. In Sekundenschnelle bietet es eine immense Fülle an Informationen, selbst zu abseitigen Themen finden sich noch Äußerungen echter oder selbst ernannter Experten. Viele Menschen müssen dafür gar nicht mehr an ihren Schreibtisch gehen und den Computer einschalten, sondern können auch unterwegs auf das World Wide Web zugreifen. Doch selbst in einer Welt, in der Wissen immer und überall verfügbar ist, sollte man gewisse Fakten kennen – etwa um als mündiger Staatsbürger am politischen Leben teilzunehmen. Wenn alle Macht vom Volke ausgeht, sollte das Volk schon ein wenig Bescheid wissen.
Testfrage Bundestagswahl: Welche Funktion hat die Zweitstimme? Selbst unter den Studierenden weiß das nur eine Minderheit. Auch wenn man nur jene Studierenden berücksichtigt, die ihre Hochschulreife in Deutschland erworben haben, also in aller Regel über ein deutsches Abitur verfügen, kennen sich lediglich 45 Prozent aus. Erst die Teilnehmer, die 40 Jahre oder älter sind, wissen mehrheitlich Bescheid. Bis zu diesem Alter aber scheint weithin Unwissenheit zu herrschen, wie so eineBundestagswahl eigentlich funktioniert. Eine andere Testfrage: Wie viele Staaten sind Mitglied der UNO? Die Aufgabe setzt eine ungefähre Vorstellung von der gegenwärtigen Weltordnung voraus. Man muss wissen, was die UNO ist und dass die meisten Staaten ihr angehören, und man muss ahnen, wie viele Staaten es ungefähr gibt auf dieser Welt. Selbst wenn man vier
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