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0986 - In den Fängen der Nacht

0986 - In den Fängen der Nacht

Titel: 0986 - In den Fängen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Von einer gewissen Entfernung aus betrachtet, sah die Wand hinter der Rezeption fugenlos aus, was sie aber nicht war. Man mußte schon genau wissen, wo die Geheimtür eingebaut war, wollte man sie öffnen.
    Falaise schaute sich noch einmal um, bevor er auf die Wand zutrat. Mit Gästen brauchte er jetzt nicht mehr zu rechnen. Wer bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht da war, kam auch nicht. So trat er gegen eine bestimmte Stelle in der Wand, und wenige Augenblicke später schwang ein Ausschnitt nach außen hin weg.
    Der Durchgang war schmal und so niedrig, daß sich der Hotelier bücken mußte. Es war auch dunkel in diesem kleinen Raum, der einem Versteck glich und kein Fenster besaß.
    Der Mann saugte die Luft ein.
    Er kannte den Geruch, der ihn nicht störte. Jedem anderen hätte sich der Magen umgedreht, denn was da in die Nasenlöcher des Hoteliers drang, war der Geruch von verwestem Fleisch.
    Leichengestank…
    Irvin Falaise kicherte, als er sich umdrehte. Seine Hand streifte für einen Moment an der Wand entlang, dann fuhr sie über einen Kippschalter hinweg, und an der Decke erhellte sich eine flache Schale, die vom Fliegendreck gesprenkelt war. Das störte den Hotelier nicht. Hauptsache, das Licht brannte.
    Falaise blieb stehen, den Blick zu Boden gerichtet, wo die verwesten Kadaver lagen.
    Keine Menschen, sondern Tiere. Hunde, Katzen, tot, zerrissen, teilweise enthäutet. Und die Person, die dafür verantwortlich war, war satt.
    Sie lag auf einem alten Metallbett der Tür gegenüber. Das Bett schloß mit der Wand ab, und die Frau, die auf ihm ihren Platz gefunden hatten, rührte sich nicht. Sie schlief oder war in einen Halbschlaf hineingedämmert. Hin und wieder stieß sie ein zufriedenes Knurren oder Grunzen aus, wie ein Tier, das sich satt fühlte.
    Der Hotelier blieb noch eine Weile auf seinem Platz stehen. Es paßte ihm nicht, daß er die Frau wecken mußte, sie hatte ihren Schlaf verdient, aber es gab keine andere Möglichkeit. Die Ankunft dieser Männer War nicht gut gewesen.
    Um das Bett zu erreichen, mußte er über die Kadaver hinwegsteigen. Um sie herum waren die Blutlachen und roten Spritzer längst eingetrocknet, nur der widerliche Verwesungsgeruch ließ sich nicht vertreiben. Er würde erst verschwinden, lange nachdem die Kadaver entfernt waren.
    Dicht neben dem Bett blieb der Mann stehen. Er beugte sich nach vorn und streckte die Arme aus.
    Mit beiden Händen strich er über den Rücken und die Schultern der Frau hinweg. Sie trug schwarze Jeans und eine dunkelrote Strickjacke, die beinahe ihren gesamten Rücken bedeckte.
    Das Stöhnen verstummte. Statt dessen bewegte sich die liegende Person unwillig.
    »Susan, bitte!«
    Die Frau stöhnte. Sie zog die Schultern hoch, und Falaise trat zurück. Er wußte jetzt, daß Susan wieder wach war und nicht mehr lange so liegenblieb.
    Sie lag noch auf der linken Seite, das Gesicht gegen die Wand gerichtet. Den rechten Arm hob sie an und bewegte die Hand mit den gespreizten Fingern.
    Irvin verstand das Zeichen und griff zu. »Warte, ich helfe dir«, sagte er zu seiner Frau, die noch nicht völlig wach war, sich aber mit Hilfe ihres Mannes herumdrehte, nicht lange auf dem Rücken liegenblieb, sondern sich hochziehen ließ.
    Den Kopf hielt sie noch gesenkt. Blondes Haar rahmte lockig ihr Gesicht ein. Sie rieb sich die Augen, denn Irvin hatte sie losgelassen. Als seine Frau den Kopf anhob, trat er zurück. Das rechte Bein stand dabei auf dem Körper einer toten Katze, was ihn nicht weiter störte.
    Susan hob den Blick. Sie hatte ein schmales Gesicht mit einer kleinen Nase und einem weichen Kinn. Ihre Augenbrauen waren kaum zu sehen, ebenso wie die Lippen. »Warum hast du mich geweckt?« fragte sie und mußte sich dabei räuspern.
    »Weil es wichtig war.«
    Susan lachte und wiegte sich von links nach rechts. Sie betrachtete dabei die Kadaver. »War ich das?«
    »Ja.«
    Sie nickte und nahm es gelassen hin. »Aber ich habe keinen Hunger mehr, nicht jetzt.«
    »Ich weiß. Ich werde das Zeug noch heute abend verschwinden lassen. Die große Tonne ist leer, aber du mußt jetzt aufstehen. Bitte, Susan, es ist wichtig.«
    Die Frau runzelte die Stirn. Sie sprach nicht, aber sie hob langsam den Kopf und öffnete auch die Augen.
    Irvin sah den Blick.
    Nein, er wurde nicht zu Eis, aber er konnte sich nicht mehr bewegen. Dieser Blick bannte ihn. Er war eiskalt, und Irvin wußte, daß Susan nicht weit von ihrer Metamorphose entfernt stand. »Was ist denn so wichtig, Irvin?«

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