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Wie ich mir das Glück vorstelle

Wie ich mir das Glück vorstelle

Titel: Wie ich mir das Glück vorstelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Kordić
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ihm hinrenne. Der dicke Dim springt. Ich höre nur, wie er unten reinknallt. Maria, o Maria. Das hört sich an, wie wenn die Holzlatte bricht. Als ich am Brunnen stehe und runtergucke, kann ich den dicken Dim gar nicht sehen. Ich schiebe das Brett wieder auf den Brunnen. Ich werfe was von dem Schnee drauf. Dass der dicke Dim tot im Brunnen liegt, verrate ich keinem.
    Ins Heft schreibe ich rein: Der dicke Dim klettert über die Mauer, ich kann ihn nicht festhalten.
    Zwei Schwestern fahren mit dem Auto rum und wollen den dicken Dim wieder einfangen. Die finden ihn nicht. In der Gemeinschaft sprechen wir nie wieder über den dicken Dim. Wie lange ich da schon in der Gemeinschaft bin, weiß ich nicht. Die Tage sind immer gleich. Ich suche Gebete und Lieder aus den Büchern raus. Ich schreibe auf, was auf unserem Gelände passiert. Die Schwestern machen mir einen Zettel mit Fragen und kleben den vorn ins Heft. Diese Fragen muss ich beantworten. Jeden Tag. Das ist meine Aufgabe.
WIE DU DAS HEFT FÜHREN MUSST

    x   Wie ist die Temperatur an der Kapelle?
    x   Wie ist die Temperatur am Stall?
    x   Wie sehen die Wolken aus?
    x   Ist eines der Tiere krank oder unruhig?
    x   Welche Arbeiten werden heute ausgeübt?
    x   Welche Brüder machen ihre Arbeit gut?
    x   Welche Brüder machen ihre Arbeit nicht gut?
    x   Ist Alkohol auf dem Gelände?
    x   Bei wem?
    x   Gibt es Streitereien unter den Brüdern?
    x   Fluchtversuche?

MACH, DASS DU VERSCHWINDEST
    Die Kaschemme ist jetzt keine Kaschemme mehr. Die jagt einer in die Luft. Da ist nur noch ein verkohltes Loch. Katzen und Hunde rennen da rum. Tango ist nicht dabei. Ich gehe ein paar Meter. Das ist ein übler Gestank. Mir ist schwindelig. Ich huste. Ich spucke auf den Boden. Ich halte mich an einem Brett fest, das einer in den Boden schlägt. Da steht drauf: Dieses Bauvorhaben wird mit Spenden finanziert. Aber ich kann da nichts sehen. Entweder jagt das auch einer in die Luft oder die Bauarbeiter bauen da einfach nichts hin.
    Der einbeinige Dschib ist in unserer Bude. Der liegt da nur noch rum. Vor ein paar Tagen gehe ich raus und mache die Schubkarre für ihn fertig. Aber der einbeinige Dschib kommt nicht aus dem Haus. Ich gehe wieder rein und da liegt der noch in seiner Ecke.
    Ich sage: Was ist los?
    Ich sehe, dass der einbeinige Dschib viel Schleim ausspuckt. Sein Mund blutet.
    Der einbeinige Dschib sagt: Ich kann nicht.
    Ich mache ihm jeden Morgen einen Tee mit den Kräutern von der Alten. Jeden Tag geht es ihm ein bisschen besser. Wenn der den Tee trinkt, muss er ganz viel husten und rotzt den ganzen Schleim aus sich raus. Als ich heute Morgen aus unserer Bude gehe, sieht der fast schon aus, wie wenn er Kraft hat.
    Ich mache mich allein auf den Weg. Die Schubkarre nehme ich trotzdem mit, damit ich mehr einladen kann, wenn ich was finde. Und ich finde auch eine ganze Menge. Hinten an der Schule, wo die Front ist, da schlagen viele Geschosse rein. Ich schmeiße ein paar Metallteile in die Schubkarre. Und ich sammle eine ganze Menge Patronen ein, die keiner abschießt.
    Eine Menschengruppe kommt mir entgegen. Frauen und Kinder. Die sagen nichts. Die Mütter sehen mich und ziehen ihre Kinder an sich ran. Ich denke erst, dass da eine von den Cousinen dabei ist. Aber die Frau trägt nur die gleiche Trainingsjacke von Adidas. Und als ich da stehe und rumgucke, kommt ein Panzerwagen über den Schutt gefahren. Oben guckt ein Mann raus. Der hat einen Helm auf dem Kopf und ruft etwas. Der kommt aus einem anderen Land. Die Frauen und die Kinder rennen hinter den Wagen und ducken sich. Der Wagen fährt ganz langsam weiter. Die Frauen und die Kinder laufen hinterher. Die biegen um die Ecke und ich kann sie nicht mehr sehen.
    Ich gehe zurück zu unserer Bude und stelle die Schubkarre hinters Haus. Ich bin sehr müde. Ich bringe das Metall und die Patronen rein. Der einbeinige Dschib ist nicht da. Seine Krücke ist weg. Dem geht es jetzt wieder gut. Der ist los und macht irgendwo ein paar Spiele. Ich stelle das ganze Material vor den Küchenschrank auf die Pappe. Ich lege mich in meine Ecke. Ich schlafe ein.
    Als ich aufwache, ist der einbeinige Dschib noch immer unterwegs. Der Himmel ist schon rot. Ich gehe hinters Haus und mache ein Feuer. Es ist dunkel. Ich stelle einen Topf aufs Feuer. Ich kippe Wasser aus dem Kanister rein. Das Kräuterglas vom einbeinigen Dschib ist leer. Das Wasser kocht. Ich schütte es in das Kräuterglas und trinke das. Ich rauche einen Stummel.

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