Wie man Freunde gewinnt
aller Menschen in neunzig von hundert Fällen gegen dieses Gebot.
Sehen Sie sich nur einmal die Briefe an, die morgen früh auf Ihrem Schreibtisch liegen, und Sie werden feststellen, daß die meisten davon diese goldene Regel des gesunden
Menschenverstandes mißachten. Zum Beispiel der folgende Brief. Er stammt vom Chef der Abteilung für Rundfunkwerbung einer Reklameagentur mit Zweigniederlassungen auf dem ganzen Kontinent und war an die Leiter aller lokalen Sendestationen gerichtet. (In Klammern mein Kommentar zu jedem Abschnitt.)
Sehr geehrter Herr Blank, die... -Gesellschaft möchte auch weiterhin eine führende Stellung als Werbeagentur auf dem Gebiet der Rundfunkwerbung einnehmen.
(Was kümmert mich, was Ihre Gesellschaft möchte. Ich habe genug an meinen eigenen Sorgen. Die Bank will mir die Hypothek auf meinem Haus kündigen, die Blattläuse fressen mir die Rosenstöcke, gestern sind die Börsenkurse gefallen, heute früh verpaßte ich den Achtuhrfünfzehnzug, kürzlich sagte mir mein Arzt, ich hätte einen zu hohen Blutdruck, außerdem leide ich an Nervenentzündung und Schuppen. Und was passiert nun?
Von Sorgen geplagt komme ich ins Büro, öffne die Post, und da quasselt mir so ein Grünschnabel aus New York vor, was seine Gesellschaft möchte. Bah! Wenn der eine Ahnung hätte, welchen Eindruck sein Brief macht, würde er schnellstens aus der Werbebranche aussteigen und Straßenkehrer werden.) Die nationalen Werbebudgets unserer Agentur bildeten bisher das Fundament des gesamten Werbefunks. Wir konnten mit unseren Werbeaufträgen Jahr für Jahr mehr Sendezeit füllen als
-60-
jede andere Agentur.
(Ihre Gesellschaft ist also groß und reich und tüchtiger als alle anderen. Na und? Meinetwegen kann sie so groß sein wie General Motors und General Electric und alle Generäle der amerikanischen Armee noch dazu. Wenn Sie in Ihrem Spatzenhirn auch nur eine Unze Verstand hätten, müßten Sie wissen, daß mich einzig und allein interessiert, wie groß ich bin.
Neben dem ganzen Geschwätz über den ungeheuren Erfolg Ihrer Firma komme ich mir klein und nichtig vor.)
Wir wünschen unsere Auftraggeber laufend über die neuesten Sendemöglichkeiten von Funkwerbung zu informieren.
(Sie wünschen! Sie wünschen! Sie ausgewachsener Trottel.
Was Sie wünschen oder was irgend jemand wünscht, interessiert mich alles nicht. Lassen Sie sich das ein für allemal gesagt sein: Mich interessiert nur, was ich wünsche - und davon steht in Ihrem läppischen Brief bis jetzt kein Wort.)
Würden Sie deshalb die... -Gesellschaft auf die Vorzugsliste der regelmäßigen Empfänger der wöchentlichen
Informationsbulletins Ihrer Rundfunkstation setzen, damit wir für unsere Kunden geeignete Sendezeiten belegen können.
(«Vorzugsliste». Das schlägt dem Faß nun doch den Boden aus! Da geben Sie mir mit Ihrem hochtrabenden Gewäsch über Ihre Gesellschaft das Gefühl, ich sei der letzte Gartenzwerg -
und dann verlangen Sie von mir, daß ich Sie auf eine
«Vorzugsliste» setze. Dabei halten Sie es nicht einmal für nötig,
«bitte» zu sagen.)
Eine umgehende Empfangsbestätigung dieses Briefes mit gleichzeitigen Angaben über Ihre zukünftige
Programmgestaltung wäre für beide Teile nützlich.
(Idiot! Sie schicken mir einen vervielfältigten Brief ins Haus -
ein Rundschreiben, das überall herumwirbelt wie Herbstblätter und haben die Kühnheit, von mir zu verlangen, daß ich mich hinsetze, während mich die Sorgen um die Hypothek, die
-61-
Blattläuse und den Blutdruck quälen, und ein persönliches Schreiben diktiere, um Ihren Wisch zu bestätigen. Und das erst noch «umgehend». Was heißt hier «umgehend»? Wissen Sie eigentlich nicht, daß ich genausoviel zu tun habe wie Sie - oder es mir jedenfalls einbilde? Wer gab Ihnen überhaupt das Recht, mich herumzukommandieren?... Sie schreiben, es wäre «für beide Teile nützlich». Endlich, endlich kommt Ihnen in den Sinn, die Sache auch einmal von meinem Standpunkt aus zu betrachten. Inwiefern ich davon profitieren würde, verraten Sie allerdings nicht.)
Mit vorzüglicher Hochachtung
John Doe
Leiter der Abteilung für Rundfunkwerbung
PS Der beiliegende Zeitungsausschnitt wird Sie interessieren.
Vielleicht lassen Sie ihn über Ihre Station senden.
(Jetzt, im Nachsatz, erwähnen Sie endlich etwas, das mir helfen könnte, meine Probleme zu lösen. Warum haben Sie nicht am Anfang Ihres Briefes davon gesprochen? Aber lassen wir das. Ein Reklamefachmann, der
Weitere Kostenlose Bücher