Wie man Freunde gewinnt
Zureden oder Drohungen kaum hätten erreichen können.»
Nehmen wir einmal an, Sie wollen morgen jemanden
veranlassen, etwas Bestimmtes zu tun. Nun überlegen Sie erst, bevor Sie sprechen, und fragen Sie sich: Wie kann ich ihn dazu bringen, daß er es tun möchte!
Diese Frage hält Sie davon ab, die andern zwecklos Hals über Kopf mit Ihren eigenen Wünschen zu überfallen.
Ich mietete während Jahren zweimal für zwanzig Abende den großen Saal eines bestimmten Hotels in New York, um darin
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eine Reihe von Vorträgen zu halten. Eines Jahres nun teilte man mir unverhofft mit, daß ich von nun an fast dreimal soviel Miete zahlen müßte wie bisher. Als mich diese Nachricht erreichte, waren die Eintrittskarten schon gedruckt und im Verkauf und die Inserate publiziert.
Natürlich gedachte ich nicht, diesen Aufschlag zu bezahlen, aber was hatte es für einen Sinn, mich mit dem Hoteldirektor darüber zu unterhalten, was ich wollte? Ihn interessierte nur, was er wollte. Ein paar Tage später sprach ich bei ihm vor.
«Ich bin, offen gestanden, ein bißchen erschrocken, als ich Ihren Brief bekam», begann ich. «Aber ich mache Ihnen durchaus keinen Vorwurf. An Ihrer Stelle hätte ich wahrscheinlich dasselbe geschrieben. Als Direktor ist es Ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, daß das Hotel soviel wie möglich einbringt, sonst werden Sie entlassen und das mit Recht. Am besten, wir setzen uns einmal hin und schreiben die Vor- und Nachteile auf, die für Sie dabei herausschauen, wenn Sie auf diesem Preisaufschlag beharren.»
Ich nahm ein Blatt Papier, zog in der Mitte einen Strich durch und überschrieb die eine Kolonne mit «Vorteile», die andere mit
«Nachteile». Unter «Vorteile» notierte ich: Saal frei. «Sie haben den Vorteil, daß der Saal für Bälle und Versammlungen zur Verfügung steht», sagte ich. «Das ist ein großer Vorteil, denn solche Anlässe werfen bedeutend mehr ab, als Sie für eine Serie von Vorträgen bekommen. Wenn ich nun den Saal an jeweils zwanzig Abenden mit meinen Kursen belege, bedeutet das ohne Zweifel für Sie den Verlust von einigen sehr einträglichen Geschäften.
Nun sehen wir uns einmal die Nachteile an. Statt daß Sie in Zukunft mehr Geld von mir erhalten, bekommen Sie gar keines mehr, denn ich kann die neue Miete nicht bezahlen, die Sie verlangen und bin gezwungen, mich nach einem anderen Saal umzusehen.
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Dann gibt es für Sie noch einen zweiten Nachteil. Diese Vorträge bringen eine Menge gebildeter und kultivierter Menschen in Ihr Hotel. Das ist eine sehr gute Reklame für das Haus. Selbst wenn Sie für fünftausend Dollar Inserate erscheinen lassen, wird Ihr Hotel nicht bei so vielen Leuten bekannt werden wie durch meine Vorträge. Das ist für ein Hotel, wie Sie wissen, sehr wichtig.»
Während ich sprach, trug ich diese zwei «Nachteile» in die entsprechende Kolonne ein. Dann überreichte ich das Blatt dem Direktor und sagte: «Ich wäre froh, wenn Sie diese Vor- und Nachteile sorgfältig gegeneinander abwägen und mir dann Ihre endgültige Entscheidung bekanntgeben würden.»
Am nächsten Tag wurde mir in einem Brief mitgeteilt, daß meine Miete nur um die Hälfte erhöht würde statt um das Dreifache.
Diese Reduktion erreichte ich, wohlverstanden, ohne auch nur ein einziges Wort über meine Wünsche zu verlieren. Ich sprach die ganze Zeit von nichts anderem als von dem, was der Direktor wünschte, und davon, wie er es bekommen könnte.
Angenommen, ich hätte gehandelt, wie das so allgemein unter Menschen üblich ist und wäre in sein Büro gestürmt mit den Worten: «Was fällt Ihnen ein, meine Miete um dreihundert Prozent hinaufzusetzen, wenn Sie doch genau wissen, daß die Eintrittskarten schon gedruckt und die Inserate erschienen sind?
Dreihundert Prozent! Daß ich nicht lache! Das bezahle ich Ihnen nie und nimmer!»
Was wäre dann geschehen? Ein Wort hätte das andere gegeben und wie solche Diskussionen ausgehen, brauche ich Ihnen wohl nicht zu schildern. Selbst wenn ich den Direktor von seinem Unrecht überzeugt hätte, sein Stolz hätte ihm verboten, zurückzukrebsen und nachzugeben.
Einen der nützlichsten Ratschläge im Umgang mit Menschen gab uns Henry Ford: «Wenn es überhaupt ein Geheimnis des
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Erfolges gibt, so besteht es in der Fähigkeit, sich auf den Standpunkt des anderen zu stellen und die Dinge ebenso von seiner Warte aus zu betrachten wie von unserer.»
Das ist so einfach, so einleuchtend - und doch verstoßen neunzig Prozent
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