Wie man leben soll: Roman (German Edition)
geben kann, hat man sich gefügt. Sogar die Brille, die man seit Neuestem braucht, muss man eigens putzen. Mit deren Aussehen ist Mutter ganz und gar nicht einverstanden; man ist allein zum Optiker gegangen und hat sie so überlistet.
Merke: Wenn man übergewichtig ist und eine Sehhilfe braucht, sollte man sich wenigstens für eine John-Lennon-Brille entscheiden.
Die Feier, zu der Tante Ernestine nicht geladen ist, lässt man stumm über sich ergehen. Als besonders demütigend empfindet man den Umstand, wie alle anderen in Filzpantoffeln am Tisch sitzen zu müssen, was die Festbekleidung konterkariert. Leider ist man der Einzige, der mit dieser Stilunsicherheit hadert. Sich dem zu verweigern, braucht man also gar nicht zu erwägen. Darüber hinaus wäre jede Aufsässigkeit töricht, weil schon der Anflug von Renitenz unweigerlich zu einer Schmälerung derbei Familienfesten obligaten finanziellen Zuwendungen führen würde. Was insofern fatal wäre, als einem für Zigaretten und LPs sowie für den Besuch gastronomischer Einrichtungen zur Zeit die Mittel fehlen.
Das Einfrieren von Konten ist überdies nicht das einzige Druckmittel, das Erziehungsberechtigte gegenüber ihren Schützlingen in der Hand haben.
Aus all diesen Gründen macht man gute Miene zum bösen Spiel. Man hört Schlager, denen man freimütig bestätigt, sie seien ein Ohrenschmaus. Man nimmt an Gesellschaftsspielen teil. Singt Volkslieder. Lacht über rustikale Witze. Schenkt Ratschlägen zu Schule, Kleidung, Frisur, Figur und allgemeinem Verhalten Gehör.
Merke: Wenn man dasitzt und hasst, sollte man daran denken, dass Jugend und Abhängigkeit eines Tages ein Ende haben werden.
Man ist traurig. Wieso wurde man in so einer blöden Zeit geboren? Wieso ist man kein Achtundsechziger? Das war eine Zeit, in der man dick sein durfte und Drogen probieren konnte und in Autos schlief, in denen man von Konzert zu Konzert fuhr, eine Zeit, in der es freie Liebe gab und alle auf ihre Kosten kamen, auch die Dicken, sogar die Schüler! Zumindest in Amerika. Und es gab bessere Musik. Zumindest in Amerika.
Die große Geschichte der Rockmusik, psychologisch betrachtet
behauptet, Musikgeschmack sage viel über junge Menschen aus. Kann man beispielsweise mit dem Pop der Gegenwart nichts anfangen, liebt man also die Musik der Elterngeneration, so ist davon auszugehen, dass man auch mit der Gesellschaft der Gegenwart und letztendlich mit sich selbst nichts anzufangen weiß.
Die Persönlichkeit
, ein ganz besonderes Buch, das man bei Paul gesehen und tags darauf im Buchladen gekauft hat, behauptetferner: Es spielt keine Rolle, wann man geboren wurde. Es gibt Menschen, die zu träge sind, um sich aus ihren Verhältnissen zu befreien. Man nennt sie Sitzer.
Seit einiger Zeit fragt man sich nun, ob man etwa auch so einer ist. Hat es eventuell etwas zu bedeuten, dass man sich lieber die Finger abbeißen würde, ehe man hier bei den Tankels den Aufstand wagt? Kann es sein, dass es gar unklug ist, wenn man sich zurückhält? In
So mache ich mir Freunde
hat man gelesen, das oberste Gebot sei Schweigen, denn es gebe zuviel zu verlieren. In
Die große Geschichte der Rockmusik, psychologisch betrachtet
steht hingegen, man müsse aufbegehren, um nicht an einem Magengeschwür zu erkranken.
Merke: Zuweilen spielen Lebenshilfebücher miteinander
Stein, Schere, Papier.
Zu den Initiationsriten des Erwachsenwerdens zählt neben dem ersten Alkoholmissbrauch der erste Geschlechtsverkehr.
Wenn man die Angelegenheit mit Claudia ausführlich erörtert, stellt man fest, dass beide Partner noch nie Sex hatten, noch nie einer Bluttransfusion unterzogen wurden und zu keiner Zeit drogensüchtig waren. Ein negativer HI V-Test bei beiden ist also wahrscheinlich. Vielleicht sollte man es einmal ohne Kondom versuchen. Zumal Claudia die Pille nimmt.
Man liegt wieder einmal nach der Schule neben Claudia nackt im Bett. Eine Erektion ergibt sich. Diese sogleich einzusetzen ist verboten. Laut
Kamasutra für Anfänger
brauchen Frauen für erfüllten Sex ein Vorspiel und viel Zärtlichkeit. Ein perfides Manöver wie spontanes Eindringen läuft dem zuwider. Also bereitet man Claudia so lange mit den Händen vor, bis sie einem »Ja, ich will« ins Ohr haucht.
Man versucht, sein Liebeswerkzeug ins Spiel zu bringen.
Die Yoni einer Sechzehnjährigen ist eng, und die Yoni einer sich verkrampfenden Sechzehnjährigen noch enger. Der Lingam eines Siebzehnjährigen ist hart, aber der
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